EZB

Lagarde lehnt Schuldenschnitt ab

Die EZB-Anleihekäufe wecken Begehrlichkeiten: Nach vor allem italienischen Politikern fordern nun auch Ökonomen einen Schuldenschnitt durch die Notenbank. Die EZB will davon aber nichts wissen.

Lagarde lehnt Schuldenschnitt ab

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat Forderungen nach einem Schuldenerlass für die Euro-Staaten durch die Europäische Zentralbank (EZB) einmal mehr eine klare Absage erteilt. „Ein Erlass dieser Schulden ist nicht denkbar“, sagte sie in einem am Wochenende veröffentlichten Interview mit der französischen Zeitung „Le Journal du Dimanche“. „Es wäre ein Verstoß gegen den EU-Vertrag, der eine monetäre Finanzierung strikt verbietet. Diese Regel ist ein Grundpfeiler des gemeinsamen Rahmens, auf dem der Euro beruht“, sagte sie.

Mehr als 100 Wirtschaftswissenschaftler, darunter der bekannte französische Ökonom Thomas Piketty, hatten die EZB am Freitag in einem offenen Brief zu einem Schuldenerlass für die Staaten aufgefordert. Die EZB solle die von ihr gehaltenen staatlichen Schuldtitel in Höhe von insgesamt rund 2,5 Bill. Euro abschreiben, hieß es in dem in mehreren europäischen Medien veröffentlichten Schreiben. Die Staaten sollten dann Mittel in gleicher Höhe in den ökologischen Umbau der Wirtschaft und soziale Projekte stecken, so die Forderung der Ökonomen.

Bereits Ende 2020 hatte es vor allem aus Italien Forderungen gegeben, die EZB solle zumindest einen Teil der italienischen Schulden, die sie infolge ihrer breiten Staatsanleihekäufe in den Büchern hält, streichen. Dafür hatte sich nicht nur die 5-Sterne-Bewegung starkgemacht, sondern auch der Präsident des EU-Parlaments, der Italiener David Sassoli. Vielen Beobachtern gelten die in der Coronakrise stark gestiegenen Staatsschulden Italiens, aber auch jene anderer Euro-Krisenländer als nicht dauerhaft tragfähig. Der Blick richtet sich dabei immer wieder auch auf Möglichkeiten der EZB.

In ihrem Aufruf argumentierten die Ökonomen nun, dass die EZB rund 25% der europäischen Schulden halte. Wenn diese Schulden irgendwann zurückgezahlt werden sollten, müssten neue Kredite für eine Umschuldung aufgenommen, die Steuern erhöht oder die Ausgaben gesenkt werden. Besser sei deshalb ein Abkommen zwischen der EZB und den Staaten über einen Schuldenerlass: „Die EZB schreibt die Schulden, die sie hält, ab (oder wandelt sie in unbefristete zinslose Schulden um), und die europäischen Staaten verpflichten sich im Gegenzug zu einem sozialen und ökologischen Sanierungsplan in derselben Höhe.“

Lagarde wies die Forderung vehement zurück – genauso wie bereits 2020. Das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sei ein zentrales Element des EU-Vertrags, und dieser Vertrag sei von den Mitgliedstaaten „frei und freiwillig vereinbart und ratifiziert“ worden. Lagarde sagte: „Anstatt so viel Energie darauf zu verwenden, einen Schuldenerlass zu fordern, wäre es viel sinnvoller, sich stattdessen darauf zu konzentrieren, wie diese Schulden verwendet werden sollen, wie die öffentlichen Mittel verteilt werden, in welche Bereiche wir für die Zukunft investieren sollten. Das sind die Dinge, über die wir derzeit sprechen sollten.“

Fiskal- und Geldpolitik

Bei einer Anhörung vor dem EU-Parlament mahnte Lagarde zugleich erneut eine enge Kooperation von Fiskal- und Geldpolitik gegen die Corona-Pandemie an. „Der erneute Anstieg der Covid-19-Fälle, die Mutationen des Virus und die strikten Eindämmungsmaßnahmen stellen ein erhebliches Abwärtsrisiko für die wirtschaftliche Aktivität im Euroraum dar“, sagte sie: „Es bleibt entscheidend, dass Geld- und Fiskalpolitik weiterhin Hand in Hand arbeiten. Die Fiskalpolitik – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene – bleibt entscheidend, um die Erholung zu unterstützen.“

Lagarde machte zudem sehr klar, dass die EZB den unerwartet starken Anstieg der Inflation zu Jahresbeginn und das erwartete weitere Anziehen der Teuerung primär als temporäres Phänomen betrachtet. Der zugrunde liegende Preisdruck bleibe schwach. Damit untermauerte sie, dass sich die EZB auf absehbare Zeit nicht vom ultralockeren Kurs abkehrt.

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