Landtagswahlen als Warnruf für die Ampel-Parteien
Warnruf für die Ampel-Parteien
Rechtsruck bei Landtagswahlen in Hessen und Bayern – Bundesinnenministerin Faeser geschwächt
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern zeichnen ein eindeutiges Bild. Die Wähler strafen die Parteien der Bundesregierung ab. Gewinner der Wahlen ist neben Boris Rhein und Markus Söder – die jeweils weiterregieren dürfen – die AfD. Vor allem ein Befund dürfte den etablierten Parteien Sorgen bereiten.
mpi Frankfurt
Für die Regierungsparteien im Bund – insbesondere die Kanzlerpartei SPD – enden die Landtagswahlen in Hessen und Bayern in einer schmerzhaften Niederlage. Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in Hessen als Spitzenkandidatin angetreten mit dem Anspruch, Ministerpräsidentin zu werden, holte für die SPD in dem Bundesland das schwächste Ergebnis in der Geschichte der Partei.
Auch aus ihrem eigenen Wahlkreis Main-Taunus I erhielt Faeser keine Rückendeckung von den Wählern für ihre Politik. Sie landete dort nur auf dem dritten Platz. Aus der Opposition wurden daher am Tag nach der Wahl Rücktrittsforderungen laut. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse überlegen, ob Faeser nach diesem Wahldebakel die politische Kraft für die Herausforderungen in der Innenpolitik habe, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Es brauche jetzt eine starke Innenministerin oder einen starken Innenminister, denn „Deutschland steckt in einer Migrationskrise, der Extremismus und die Kriminalität sind nach vielen Jahren auf einem Höchststand und die Cyberbedrohung ist höher denn je“.
Bundeskanzler Scholz stellte sich am Montag wie zuvor schon andere SPD-Spitzenpolitiker hinter die Bundesinnenministerin und lehnte einen Rücktritt wegen der Wahlniederlage ab. „Er ist fest entschlossen, auch weiterhin mit Nancy Faeser als Bundesinnenministerin im Kabinett zusammenzuarbeiten“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Migrationspolitik im Fokus
FDP-Chef Christian Lindner fordert angesichts der Ergebnisse der Ampel-Parteien bei den Landtagswahlen eine Neuausrichtung der Migrationspolitik der Regierung. „Jetzt brauchen wir in Deutschland schnellere Abschiebungen“, sagte er. Zudem müssten die sogenannten Pullfaktoren, die zu illegaler Einwanderung führten, konsequent abgestellt werden. Dazu gehöre etwa der Wechsel von Geld- hin zu Sachleistungen.
Mit Forderungen nach einer strikteren Asylpolitik hatten im Wahlkampf die AfD, die Union und die Freien Wähler auf sich aufmerksam gemacht. Die Parteien gehörten am Wahlabend allesamt zu den Gewinnern des Tages.
Söder bringt Verfassungsänderung ins Spiel
Eine noch größere Kursänderung in der Migrationspolitik brachte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ins Spiel, der am Sonntag mit seiner Partei zwar das schlechteste Wahlergebnis der CSU seit 1950 holte, aber dennoch mit Abstand stärkste Kraft in Bayern wurde. „Wir brauchen hier eine Lösung, und zwar in den fundamentalen Fragen, keine kosmetischen Regelungen“, sagte Söder.
Als Vorbilder nannte Söder entsprechende Regelungen in Dänemark und Österreich sowie die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl in Deutschland in den 1990er Jahren, die damals den Aufschwung rechtsradikaler Parteien gestoppt habe. „Man muss am Ende vielleicht auch das Undenkbare noch mal diskutieren, ob die einzige Chance vielleicht sogar die Rechtsänderung ist, bei der Verfassungsfrage des Grundrechts auf Asyl.“
„Regierungsarbeit kritisch prüfen“
Auch über die Asylpolitik hinaus sieht FDP-Chef Lindner das schlechte Wahlergebnis der Ampel-Parteien als Aufruf, die Politik der Bundesregierung zu hinterfragen. Alle drei Regierungsparteien hätten am Sonntag verloren. „Deshalb ist unser Auftrag nun, unsere Regierungsarbeit kritisch zu prüfen.“ Es müsse analysiert werden, wo die Bundesregierung nicht den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger entspreche.
Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Ampel-Politik nehme er neben der Asylpolitik auch in den Bereichen Wirtschaft, Energiepolitik und „gesellschaftliche Liberalität“ wahr. Auch SPD-Chefin Saskia Esken versteht die Landtagswahlergebnisse als Denkzettel für die Bundesregierung. Die Menschen wünschten sich keinen Streit von der Regierung, sondern Orientierung und Sicherheit, sagte sie am Montag in der SPD-Parteizentrale. „Viele Antworten hat die Ampel gegeben, aber viele hat sie eben auch im Streit gegeben“, räumte Esken ein. Die Regierungskoalition müsse „besser werden“.
Der dritte Koalitionspartner im Bund, die Grünen, sehen die Wahlergebnisse nicht als Anlass für einen inhaltlichen Kurswechsel. Ändern müsse sich nicht die Politik der Bundesregierung, sondern der Stil, meinte Grünen-Parteivorsitzender Omid Nouripour. Die Ampel müsse es schaffen, ihre gemeinsamen Erfolge ins Schaufenster zu stellen. Aktuell werde die Regierung in der Öffentlichkeit zu oft als zerstritten wahrgenommen.
AfD auch im Westen stark
Neben der Union, die mit Boris Rhein in Hessen und Markus Söder in Bayern auch in der kommenden Legislaturperiode den jeweiligen Ministerpräsidenten stellen wird, ist die AfD die große Gewinnerin der Landtagswahlen. In Hessen und in Bayern dürfte sie Oppositionsführerin werden.
„Die AfD ist kein Ost-Phänomen mehr, sondern eine gesamtdeutsche Volkspartei geworden. Wir sind also angekommen“, sagte AfD-Chefin Alice Weidel. Das Wahlergebnis der Partei in Hessen – Platz 2 mit 18,4% – ist zwar das beste in Westdeutschland in der Geschichte der AfD. Gleichwohl ist es deutlich weniger, als Demoskopen der Partei derzeit in den ostdeutschen Bundesländern zutrauen. Hier kommt die AfD in Umfragen auf 29 bis 35%.
Sorge vor zunehmender Kriminalität
Beunruhigen dürfte die anderen
Parteien, dass ein immer größerer Anteil der AfD-Wähler angibt, die Partei nicht aus Protest, sondern aus Überzeugung zu wählen. Die Anhänger der Partei weisen der AfD insbesondere in der Asylpolitik und der Bekämpfung von Kriminalität Kompetenzen zu. Die Sorge in der Bevölkerung vor einer Zunahme der Kriminalität wächst laut Wahlforschern. Auch wenn die Zahl der registrierten Straftaten laut polizeilicher Krimina-litätsstatistik in den vergangenen Jahren im langfristigen Vergleich eher niedrig war.
Während die AfD auch im Westen immer stärker wird, geht die Linke den umgekehrten Weg. Nach 15 Jahren wird die Partei den hessischen Landtag verlassen müssen. Damit ist sie in keinem westdeutschen Flächenland mehr im Landesparlament vertreten.
Grüne oder SPD?
In Bayern steht quasi fest, dass die CSU ihre Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen wird. Eine Auseinandersetzung gibt es aber bei der Frage, wie viele Ministerien der Junior-Partner erhält. Die Freien Wähler erheben angesichts der Zugewinne Ansprüche auf die Leitung eines vierten Ministeriums. Söder lehnt dies ab. In Hessen sind die Grünen für die CDU der erste Ansprechpartner für die Bildung einer Koalition. Aber auch eine Regierung der CDU zusammen mit der SPD ist nicht ausgeschlossen.