Lindner will selbsttragendes Wachstum bewirken
wf Berlin
Mit einem Strategiepapier hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seine neue Richtung der deutschen Finanz- und Haushaltspolitik vorgestellt. In der drohenden Stagflation sei ein Kurs nötig, der Wachstum stärke und Inflation verhindere, machte Lindner vor der Presse in Berlin deutlich. „Wir brauchen selbsttragendes Wirtschaftswachstum.“ Der FDP-Politiker kündigte eine Stärkung der angebotsseitigen Politik an. Weitere Subventionen hätten keinen Sinn, da sie in Preissteigerungen verpufften und keine nachhaltigen Effekte hätten. Lindner zufolge müssten die Rahmenbedingungen für Betriebe verbessert werden. Dazu nannte er das Steuersystem und die Verwaltung. Zudem sprach sich Linder für ein Belastungsmoratorium aus.
Das 20-seitige Strategiepapier stellte der Minister zusammen mit dem Freiburger Ökonomen Lars Feld vor, der ihm als unabhängiger Chefökonom seit diesem Jahr zur Seite steht. „Es braucht eine Finanzpolitik, die effizient, vorausschauend und gestaltend agiert“, heißt es in dem Papier. Sie soll sich auf drei Grundpfeiler stützen: kurzfristige Stabilisierung in der Krise, wachstumsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik zur Steigerung der Produktivität und klare Ausrichtung am Ziel fiskalischer Resilienz und finanzpolitischer Stabilität.
Feld verwies auf die aktuelle Konjunkturlage, die auf eine weitere Eintrübung deute. Das Angebot bleibe hinter der Nachfrage zurück. Deshalb müsse vor allem das Angebot gestärkt werden, um Produktivität zu steigern und Kapazitäten auszuweiten. Es reiche nicht, nur Geld auszugeben, betonte Feld. Die Mittel müssten auch klug eingesetzt werden, um Angebotseffekte zu erzielen. Unabhängig davon sei die Geldpolitik gefragt, zu handeln.
Lindner betrachtet das Strategiepapier als Diskussionsgrundlage, um darüber mit Politik und Wissenschaft in den Diskurs zu kommen. Es sei nicht vorgesehen, darüber einen Kabinettsbeschluss herbeizuführen, machte Lindner deutlich. Vielmehr stehe es für den Kurs seines Hauses.
Derzeit ist das Bundesfinanzministerium mit der Haushaltsaufstellung für 2023 und der mittelfristigen Finanzplanung bis 2026 befasst. Vor der Sommerpause soll das Kabinett darüber entscheiden, im Herbst wird der Etat im Bundestag beraten. Lindner bekräftigte, dass von 2023 an die Schuldenbremse wieder eingehalten werde. Demnach darf sich der Bund strukturell in Höhe von 0,35% des Bruttoinlandsprodukts neu verschulden. „Ab dem nächsten Jahr beginnt eine andere Phase der Finanzpolitik“, sagt Lindner. Wegen der Corona-Pandemie blieb die Schuldenbremse von 2020 bis 2022 durch Bundestagsbeschluss ausgesetzt. Die Ampel-Koalition nutzte die fehlende Bremse, um Kreditermächtigungen von 60 Mrd. Euro für künftige Jahre dem Sondervermögen Energie- und Klimafonds zuzuweisen. Zudem soll nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ein Sondervermögen von 100 Mrd. Euro neben dem Kernhaushalt des Bundes helfen, die Bundeswehr besser auszustatten. Über die Ausgestaltung ringt die Ampel mit der CDU/CSU im Bundestag, deren Stimmen sie für die begleitende Grundgesetzänderung benötigt.
Umstrittene Sondervermögen
Die Haushaltspolitik über Sondervermögen am Kernhaushalt vorbei ist umstritten. Die Union klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die zusätzliche Verschuldungsmöglichkeit des Energie- und Klimafonds. Lindner kündigt im Strategiepapier an, die Zahl der Sondervermögen zu reduzieren, um die Haushaltsklarheit zu verbessern. Damit soll die fiskalische Resilienz gestärkt werden. Offen bleibt, welche Sondervermögen dies konkret betreffen könnte. Neue Sondervermögen lehnt Lindner ab.