Vom Segen des Reichtums
Vom Segen des Reichtums
Die Ungleichheit in den Industrieländern ist geringer, als viele meinen – und ein gewisses Maß nötig für mehr Wohlstand für alle.
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Die Reaktion auf die Wahl der Unions-Minister in der neuen Regierung war zu erwarten: „CEOs als Minister: Das neue Kabinett verspricht Politik von Reichen – für Reiche“, hieß es sogleich im Wirtschaftsmagazin „Surplus“. Wenn es um Reichtum und Vermögen geht, wird das hierzulande gerne als negative Begleiterscheinung des Kapitalismus dargestellt – oder gleich mit dieser Wirtschaftsform identifiziert, weshalb sie zu überwinden sei. Doch auch so unverfängliche Organisationen wie die UN warnen immer wieder davor. Im „World Social Report“ wird Ungleichheit schon mal als Auslöser globaler Krisen ausgemacht.
Dabei wird unterschlagen, dass es letztlich der selbst erwirtschaftete Reichtum war, der die Industriegesellschaft quasi erfunden und breiten Schichten der Bevölkerung zu großem Wohlstand verholfen hat. Risikobereite Unternehmer hatten Innovationen kreiert, auf deren Basis Arbeitsplätze geschaffen wurden, Löhne zu mehr Konsum und Erfolg am Markt und zu noch mehr Investitionen führten.

Der Reichtum einzelner, bringt es der schwedische Ökonom Daniel Waldenström auf den Punkt, hätten dazu beigetragen, dass sich die Gesellschaften fortentwickelten. Durch immer neue Innovationen, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die zu mehr Produktivität führten, der Etablierung von Gewerkschaften und mehr Bildung wurden die Wachstumskräfte gestärkt und habe sich eine Mittelschicht überhaupt erst bilden können. „Reichtum hat uns geholfen, wohlhabender zu werden“, sagte er in einem Vortrag des Ifo-Instituts. Zudem sei die vielfach zu Unrecht gegeißelte Ungleichheit heutzutage „viel geringer als sich das viele vorstellen“.
Kollektives Gedächtnis
Dass in den Debatten die „Ungleichheit“ eine so prominente Rolle spielt, liegt nach Meinung von Ifo-Chef Clemens Fuest auch daran, dass die Kritik daran ständig wiederholt werde und sich in das kollektive Gedächtnis eingenistet habe. Das habe auch damit etwas zu tun, dass hierzulande oftmals einem sozialistischen Gleichheitsideal nachgehangen werde. Dabei, so Waldenström, habe doch gerade der Sozialismus gezeigt, dass er es nicht schaffe, die Menschen zum Wohlstand zu führen. Es sei vielmehr „die Marktwirtschaft gewesen, die besser mit den eigenen Bürgern umgegangen ist als der Sozialismus“. Der Kapitalismus habe es sogar geschafft, die globale Ungleichheit zu verringern, indem er den Menschen weltweit mehr Wohlstand gebracht habe.
Kein Nullsummenspiel
Letztlich geht es nach Meinung von Waldenström darum, Wohlstand fair zu verteilen, ohne die Anreize zu Innovationen und Unternehmensgründungen verkümmern zu lassen. Unternehmerischer Reichtum sei zu dulden. Zumal gesellschaftlicher Wohlstand eben nicht aus einem Nullsummenspiel heraus entstanden sei, man den Reichen also nur genommen und den Armen gegeben habe, sondern, weil alle Bürger in der Lage seien, Vermögen zu bilden. Daher warnt er auch vor einer zu hohen Unternehmensbesteuerung. Stattdessen solle man eher direkt auf Kapitaleinkommen zugreifen, weniger auf Vermögen und Erbschaften. Besser sei, Bildung und Wohneigentum zu fördern sowie die Altersvorsorge kapitalgedeckt auszugestalten. Das verbessere Marktprozesse und sorge somit für mehr Wohlstand.
Dass in den USA die Ungleichheit zuletzt wieder zugenommen hat, ist ihm zufolge auch die Folge steigender verdeckter Arbeitslosigkeit, falscher politischer Weichenstellungen – und zu großer politischer Macht reicher Persönlichkeiten. Kurz: Mehr Musk wagen als Unternehmer ist gut, aber die Politik für ihn zu öffnen eher schlecht für die Gesellschaft.