Neue Brüsseler Ideen zur Staatsschulden-Berechnung
ahe Brüssel
Nach Ansicht von EU-Industriekommissar Thierry Breton sollten bei der anstehenden Reform der EU-Fiskalregeln weitere Kriterien in die Berechnung der Staatsverschuldung einbezogen werden. Breton verwies in einer Rede an der Universität in Eindhoven auf die Rolle, die Verteidigungsausgaben und die jeweiligen nationalen CO2-Emissionen spielen könnten. Das wirkliche Gesamtbild der Schulden der einzelnen Mitgliedstaaten sei bei einer Einbeziehung dieser Bereiche ganz anders, als es heute erscheine, betonte Breton. Bei der anstehenden Modernisierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sei nun eine offene Debatte – ohne Tabus – über das Gesamtbild und den vergleichenden Stand der Verschuldung nötig.
Breton verwies darauf, dass der Schuldenstand in der Eurozone „um mindestens ein Dutzend BIP-Prozentpunkte“ höher liegen würde, wenn alle Mitgliedstaaten wie vereinbart auch 2% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung investieren würden. Die Verteidigungsausgaben seien aber von Land zu Land unterschiedlich – ebenso wie die Emissionen ungleichmäßig über den Kontinent verteilt seien. Seit 1999 habe Europa 90 Mrd. Tonnen CO2 emittiert, was beim derzeitigen Preis pro Tonne Kohlenstoff einer Rechnung von 7200 Mrd. Euro entspreche, so Breton. Allein Deutschland emittierte 23% der Gesamtemissionen – was einer zusätzlichen Verschuldung von 49 BIP-Prozentpunkten entspreche.
Die EU-Kommission will im Oktober Vorschläge für eine Reform der EU-Fiskalregeln vorlegen. Zuständig hierfür sind eigentlich EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni und Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis und nicht der Franzose Breton. Die EU-Finanzminister wollen eine mögliche Reform der Haushalts- und Schuldenregeln, die aktuell noch bis Ende 2023 ausgesetzt sind, am Freitag bei ihrem informellen Treffen in Prag diskutieren. EU-Diplomaten äußerten am Dienstag die Hoffnung, dass Gentiloni und Dombrovskis dann bereits Grundzüge ihrer Vorschläge zur Debatte stellen werden.
Ein wichtiger Punkt der Diskussion wird sein, wie die neuen Regeln auch öffentliche Investitionen in den Kampf gegen den Klimawandel, die Energiewende oder auch die Digitalisierung ermöglichen können. In dem Anfang August veröffentlichten deutschen Positionspapier hierzu wird ebenfalls festgehalten, dass „Investitionen in die Zukunftsfähigkeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum“ sichergestellt werden müssten. Ein höheres öffentliches Investitionsniveau hätte langfristige Wachstumseffekte und würde zur Transformation zur klimaneutralen Volkswirtschaft beitragen.
Breton betonte nun, zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen, einschließlich der für die technologische Souveränität notwendigen gemeinsamen Investitionen, müsse es auch eine neue „sachliche“ Berechnungsmethode geben.