Neue EZB-Hilfe nimmt Kontur an
ms Frankfurt
EZB-Ratsmitglied François Villeroy de Galhau hat Konturen des avisierten neuen EZB-Instruments gegen ein Auseinanderlaufen der Anleiherenditen der Euro-Staaten skizziert. Laut dem französischen Zentralbankchef sollte die Europäische Zentralbank (EZB) zum Beispiel im Gegenzug für mögliche künftige Krisenanleihekäufe andere Wertpapiere aus der Bilanz verkaufen – damit der Kampf gegen die Rekordinflation nicht konterkariert wird. Generell plädiert er dafür, dass die EZB eine gewisse Unklarheit über die Details des Instruments lässt – aber keinen Zweifel daran, dass die Entschlossenheit der Notenbank „keine Grenzen“ hat. Seine Aussagen sind stets von besonderem Interesse, weil er oft künftige Entwicklungen und Entscheidungen vorzeichnet.
Die EZB hatte vergangene Woche nach einer kurzfristig angesetzten Krisensitzung wegen der zuletzt stark gestiegenen Euro-Renditen und Renditespreads angekündigt, „ein neues Antifragmentierungsinstrument“ zu entwickeln. Sie will damit verhindern, dass die Anleiherenditen der Euro-Staaten zu weit auseinanderlaufen und einige Staaten in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Der jüngste Anstieg hatte Erinnerungen an die Euro-Schuldenkrise vor zehn Jahren geweckt. Kritiker sehen ein neues Instrument im Widerspruch zur Zinswende, die die EZB nur eine Woche vor der Krisensitzung in Aussicht gestellt hatte.
Im EZB-Rat ist das Thema durchaus umstritten, wie jüngste Wortmeldungen gezeigt haben. Zwar stellen sich alle Notenbanker hinter die Selbstverpflichtung, „neuerlichen Fragmentierungsrisiken entgegenzuwirken“. Während einige Notenbanker aber vehement die Entschlossenheit der Zentralbank betonen und teils sogar von der Notwendigkeit sprechen, die Märkte zu „disziplinieren“, mahnen andere eher zu Vorsicht und Zurückhaltung bei künftigen Marktinterventionen.
Villeroy de Galhau sagte nun der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“, dass es zwar noch „offene Fragen“ zum neuen Instrument gebe. Doch bestehe eine gewisse Einigkeit über die Art des Schutzschirms. Der Notenbanker sagte unter anderem, dass die EZB-Krisenanleihekäufe durch den Verkauf anderer Wertpapiere ausgeglichen werden sollten, damit die Käufe die Bemühungen der EZB zur Bekämpfung der Rekordinflation nicht beeinträchtigen. Ein solches Vorgehen wird häufig als „Sterilisierung“ bezeichnet. Im Kern geht es darum, dass sich die Geldmenge nicht weiter erhöht.
„Konstruktive Unklarheit“
Nach Villeroy de Galhaus Aussagen sollte eine Kombination aus Regeln, Kriterien, Ermessen und kollektiver Diskussion im Rat die Grundlage für eine mögliche Intervention auf den Märkten bilden: „Es sollte eine gewisse konstruktive Unklarheit darüber herrschen, wie wir ein solches neues Instrument einsetzen“, sagte er. Am Montag hatte auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde im EU-Parlament gesagt, dass die EZB kaum alle Details offenlegen werde. Kritiker warnen aber vor einer Willkür seitens der EZB, wenn es gar keine Transparenz gibt.
In jedem Fall sollte der neue Schutzschirm aus Sicht von Villeroy de Galhau zeigen, dass die Entschlossenheit der EZB, die Integrität des Euro zu verteidigen, keine Grenzen kennt. „Er sollte in dem Umfang zur Verfügung stehen, der nötig ist, um unsere unbegrenzte Zusage zum Schutz des Euro sehr deutlich zu machen“, so Villeroy. „Je glaubwürdiger ein solches Instrument ist, desto weniger muss es in der Praxis eingesetzt werden. So funktioniert ein Backstop.“ Bei einem unbegrenzten Versprechen dürfte sich aber schnell die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit stellen. In Deutschland dürften neue Klagen drohen.
Finnlands Zentralbankchef Olli Rehn sagte am Dienstag, dass Staaten nicht automatisch in den Genuss des neuen Instruments kommen werden. „Das ist eine umfassende Analyse, und für ein Urteil muss es viel Spielraum geben.“ Diese Beurteilung werde beim EZB-Rat liegen. „Wir werden auf Grundlage mehrerer Parameter, mehrerer Kriterien urteilen, und bei der Entscheidungsfindung werden wir eine umfassende, ganzheitliche Analyse heranziehen.“