Beschäftigungsausblick

OECD erwartet sinkende Reallöhne

Die OECD erwartet aufgrund des Kriegs in der Ukraine angespanntere Arbeitsmärkte. Wegen der hohen Inflation sinken zugleich die Reallöhne. Politische Priorität müsse nun die Unterstützung der Schwächsten haben.

OECD erwartet sinkende Reallöhne

ast Frankfurt

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeichnet in einer Studie ein trüberes Bild der Arbeitsmärkte. Zwar habe sich die Situation nach der Coronavirus-Pandemie überraschend schnell entspannt. Doch der Ukraine-Krieg stelle ein großes Risiko dar. Die schwächelnde Konjunktur werde sich mittelfristig auch auf den Arbeitsmarkt auswirken. Zeitgleich werden die Reallöhne im laufenden Jahr aufgrund der hohen Inflation sinken, so die Organisation in ihrem aktuellen Beschäftigungsausblick.

„Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine schwächt das Wachstum der Weltwirtschaft und lässt die Inflation steigen, was sich negativ auf die Unternehmensinvestitionen und den privaten Konsum auswirkt“, erklärte die OECD. Vor allem einkommensschwachen Haushalten werde angesichts steigender Lebensmittel- und Energiepreise viel abverlangt, sagte Generalsekretär Mathias Cormann. „Trotz allgemeiner Personalengpässe hält das reale Lohnwachstum nicht mit dem gegenwärtig hohen Preisauftrieb Schritt.“ Die Staaten sollten deshalb gezielte, befristete Hilfen prüfen.

Für 2022 erwartet die OECD in ihrem Beschäftigungsausblick sinkende Reallöhne. In Deutschland dürften sie um 2,6% zurückgehen, wenn die Teuerung ähnlich hoch bleibt. Der Rückgang hierzulande ist damit etwas stärker als im OECD-Durchschnitt (siehe Grafik). Die Lage am deutschen Arbeitsmarkt sei aber vergleichsweise gut. Die Herausforderung bestehe hierzulande in den kurzen Arbeitszeiten. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden pro Be­schäftigten ist die niedrigste im gesamten OECD-Raum und liegt 27% unter dem Durchschnitt. Diese Zahl dürfte den Wirtschaftsvertretern in die Hände spielen, die zuletzt in Deutschland aufgrund des Personalmangels für eine 42-Stunden-Woche plädierten, um die Produktion nicht zu gefährden. Wenn beispielsweise Teilzeitkräfte mehr arbeiten würden, so die OECD, könne das die Inflation dämpfen und das Wachstum fördern, so die Studie.

Die OECD mahnte, dass die steigenden Energiekosten derzeit besonders die Schwächsten träfen, die relativ gesehen den größten Teil ihres Einkommens für Energie ausgeben müssen. „Umfassende Verhandlungen zwischen Regierungen, Arbeitnehmern und Unternehmen werden entscheidend sein um diese Kosten gerecht aufzuteilen: Keiner von ihnen kann sie allein auffangen“, schreibt Stefano Scarpetta, OECD-Arbeitsmarkt-Experte, in der Studie. Der Schutz des Lebensstandards erfordere auch ein neues Gleichgewicht der Verhandlungsmacht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Scarpetta ruft die Kartellämter auf, den Wettbewerb am Arbeitsmarkt enger zu überwachen, um Arbeitnehmer zu schützen.

Mindestlohn treibt Inflation

Derweil rechnet das Ifo-Institut aufgrund des steigenden Mindestlohns zum 1. Oktober mit einer weiter zunehmenden Teuerung. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Umfrage unter 6900 Firmen hervor. Demnach beschäftige ein Drittel der Betriebe einen Teil der Mitarbeiter für weniger als 12 Euro pro Stunde. 58% dieser Firmen „planen als Reaktion, ihre Preise hochzusetzen“, so die Forscher in der Studie.

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