Konjunkturtableau

Ökonomen bleiben gelassen

Selbst die ausgeprägte Wachstumsschwäche zu Jahresbeginn kratzt nicht am Bild der erwarteten Konjunkturerholung, wie das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung zeigt. Auch die zuletzt höhere Inflation wird als temporär angesehen.

Ökonomen bleiben gelassen

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Bei Konjunkturexperten scheint eine gewisse Gelassenheit eingetreten zu sein. Nach den zuletzt teils kräftigen Revisionen der Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft sehen sie trotz der Wachstumsschwäche zu Beginn des Jahres keinen Grund für größere Nachjustierungen, wie das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung zeigt. „Die Erwartung eines starken Wirtschaftswachstums im laufenden Jahr wird nicht revidiert, sondern lediglich zeitlich etwas verschoben“, erklärte ZEW-Experte Michael Schröder.

Die Prognosen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2021 und 2022 seien „praktisch unverändert“ im Vergleich zum Vormonat (vgl. BZ vom 14. April). Die vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für das Konjunkturtableau ermittelte Medianprognose für das laufende Jahr liegt nun bei 3,6% um 0,2 Prozentpunkte höher als zuvor. Die für 2022 erwarteten 4,0% sind gegenüber dem Vormonat unverändert (siehe Tabelle).

Die konjunkturelle Entwicklung hängt weiter stark vom Pandemiegeschehen ab. Derzeit sieht es aus, als habe die dritte Welle ihren Höhepunkt erreicht. Die Neuinfektionen sinken und die Impfungen schreiten voran. Angesichts mangelnder Konsummöglichkeiten ist für die Verbraucher derzeit noch sparen angesagt. Selbst wenn ein Teil der aktuell bei etwa 16% stehenden Sparquote in zusätzlichen Konsum fließen sollte, wird ein nennenswerter Schub für die Wirtschaft von Seiten des privaten Konsums erst für das kommende Jahr erwartet. Die Auguren erwarten dann ein Plus von 7,7% – wohingegen dem Privatkonsum in diesem Jahr nur ein Wachstum von 0,1% zugetraut wird.

Der Schwung kommt aktuell vom anziehenden Welthandel. Insbesondere die chinesische und US-amerikanische Wirtschaft sind die Zugpferde – wichtige Destinationen für die stark exportorientierte deutsche Industrie. Die leidet derweil kräftig unter Engpässen, insbesondere bei Vorprodukten. Ökonomen sehen dies aber als temporäres Problem und erwarten bald wieder positive Impulse der Industrie für das Wachstum. So sollte die Erholung im laufenden zweiten Quartal einsetzen und zur Jahresmitte kräftig Fahrt aufnehmen. Das stärkste Wachstum wird für das dritte Quartal erwartet. Zu Jahresbeginn war das BIP noch um 1,7% im Quartalsvergleich eingebrochen.

Ein ähnliches Bild ergibt sich Schröder zufolge für das Eurogebiet, wenn auch die Euro-Wirtschaft in die Rezession gerutscht ist. Die technische Definition einer Rezession von zwei aufeinanderfolgenden Minusquartalen ist mit –0,7% im vierten Quartal 2020 und –0,6% im Startabschnitt 2021 zum Vorquartal zwar erfüllt – „allerdings kann angesichts der sehr positiven Prognosen für 2021 und 2022 von einer Rezession keine Rede sein“, betonte Schröder. Die Prognose für 2021 steht nun bei 4,2 (April; 4,3)%. Für 2022 werden unverändert 4,2% erwartet.

Entsprechend diesen Prognosen „dürfte sich die deutsche Wirtschaft etwas weniger dynamisch erholen als der Durchschnitt der Länder des Eurogebiets“, analysiert Schröder. Da die pandemiebedingte Wirtschaftsschwäche die hiesige Wirtschaft bislang aber etwas weniger hart getroffen habe als das Eurogebiet insgesamt, „könnte das deutsche reale BIP bis Ende 2022 – verglichen mit Ende 2019 – trotzdem stärker wachsen als das des Eurogebiets“. So liege der für das deutsche BIP Ende 2022 prognostizierte Wert 2,5% über dem von 2019. Für das Eurogebiet betrage diese Zunahme 1,4%, betonte Schröder.

Die Inflationsprognosen zeigen sich ebenfalls kaum verändert. Es wird derzeit diskutiert, ob der zuletzt höheren Teuerung eine dauerhafte dynamische Aufwärtsentwicklung unterliegt. Die Prognosen im Konjunkturtableau stützen die Befürchtung einer stark steigenden Inflationsrate aber nicht.

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