China-Konjunktur

Pekings Ankündigung neuer Wirtschaftshilfen lässt Investoren rätseln

Das von Peking angekündigte neuerliche Konjunkturprogramm kann mangels Konkretisierung nicht überzeugen. Xi Jinping setzt andere Schwerpunkte. China soll aus demografischen Gründen schnellstmöglich Industriestaat werden und nicht mehr verlängerte Werkbank sein. Dafür nimmt er Konjunkturschmerzen in Kauf.

Pekings Ankündigung neuer Wirtschaftshilfen lässt Investoren rätseln

Peking kann Märkte mit neuen
Finanzhilfen nicht überzeugen

Keine konkreten Zahlen genannt – Demografie im Fokus?

lz Frankfurt

China will mit einer deutlichen Erhöhung der Schuldenaufnahme die schwächelnde Wirtschaft ankurbeln. Finanzminister Lan Foan kündigte am Samstag an, dass die Volksrepublik die Ausgabe von Staatsanleihen zur Stützung der Konjunktur „erheblich“ erhöhen werde. Damit sollten Menschen mit geringem Einkommen unterstützt, der kriselnde Immobilienmarkt wieder in Schwung gebracht und das Kapital der staatlichen Banken wieder aufgestockt werden. Auch den Regionalregierungen solle bei der Lösung ihrer Schuldenprobleme geholfen werden. „Es gibt immer noch einen relativ großen Spielraum für China, Schulden zu machen und das Haushaltsdefizit zu erhöhen“, sagte Lan. Konkrete Zahlen nannte er jedoch nicht, er sprach lediglich davon, dass es weitere „antizyklische Maßnahmen“ geben werde.

Darauf allerdings hatten Investoren an den Finanz- und Rohstoffmärkten gewartet und reagierten entsprechend enttäuscht. Das drückte auf die Ölpreise. Denn schwächelt die Wirtschaft in einem Land, das wie China ein großer Ölkonsument ist, sinkt die Ölnachfrage entsprechend.

„Nicht in Alarmstimmung“

Die chinesische Regierung sei offenbar „nicht in Alarmstimmung“, kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Hoffnung sei groß gewesen, dass sie mit einer üppigen Summe aufwarten würde. Doch hätten die staatlichen Hilfen in der Vergangenheit zu Überinvestitionen geführt. Stattdessen setze Xi Jinping auf den langfristigen Umbau der Volkswirtschaft als Hightech-Konkurrenz zu den Industrieländern. In Anbetracht des bereits begonnenen demografischen Wandels sei dieser Weg alternativlos. Gitzel: „Die Ein-Kind-Politik wird die arbeitsfähige Bevölkerung dramatisch reduzieren. Für die verlängerte Werkbank fehlt es zukünftig an genügend Arbeitskräften.“

Deflation der Erzeugerpreise verfestigt sich

Jüngste chinesische Konjunkturdaten signalisierten indes weiteren Handlungsbedarf: Die Teuerung hat sich im September unerwartet abgeschwächt, und auch die Deflation der Erzeugerpreise hat sich vertieft. Der Verbraucherpreisindex (VPI) stieg im September zum Vorjahr nur um 0,4%, nach einem Plus von 0,6%, wie das nationale Statistikbüro meldete. Im Monatsvergleich blieb der VPI unverändert. Zugleich sackte der Erzeugerpreisindex im September mit 2,8% im Jahresvergleich so stark ab wie seit sechs Monaten nicht mehr. Im Vormonat lag das Minus schon bei 1,8%.

Chinas Wirtschaft kommt nach der Coronakrise nicht in Schwung. Peking hatte zwar Ende September das größte Konjunkturprogramm des Landes seit der Pandemie vorgestellt, um die Talfahrt zu stoppen, und neue Konjunkturhilfen angekündigt. An den Finanzmärkten war zuletzt aber spekuliert worden, wie und in welchem Umfang sie die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt anschieben will.

Ausgabe von Staatsanleihen

Finanzminister Lan sagte am Wochenende, weitere Reformen würden „Schritt für Schritt“ angekündigt. In Regierungskreisen war zuletzt von der Ausgabe von Sonder-Staatsanleihen im Volumen von rund 2 Bill. Yuan (rund 259 Mrd. Euro) zur Finanzierung von Investitionen die Rede. Eine Hälfte soll demnach dazu verwendet werden, um den Konsum anzuschieben – etwa durch Abwrackprämien für den Umtausch alter Elektrogeräte gegen moderne. Mit der anderen Hälfte soll den regionalen Verwaltungen bei der Bewältigung ihrer Schuldenprobleme geholfen werden.

Fiskalischer Impuls bleibt aus

Experten mahnten zwar, dass das Ausbleiben konkreter Zahlen bei den Konjunkturhilfen an den Märkten für Enttäuschung sorgen könnte. „Der große fiskalische Impuls, auf den die Anleger gehofft hatten, um die Aktienmarktrally in Gang zu halten, blieb aus“, sagte Investmentstratege Vasu Menon vom Finanzinstitut OCBC in Singapur. Aber die Pläne könnten der Wirtschaft helfen, auch wenn längerfristig mit einer Verlangsamung beim Wachstum zu rechnen sei, meinte Bruce Pang, Chefökonom für China beim Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle. „Wenn dieses Paket bald umgesetzt werden kann, kann das Wachstumsziel in diesem Jahr erreicht werden“, sagte er.

China kämpft gegen deflationäre Tendenzen, also gegen eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Konsumzurückhaltung, die der Wirtschaft schadet. Trotz einer Reihe von Stimulusmaßnahmen ist es der Regierung bislang noch nicht gelungen, das Wachstum stärker anzukurbeln. Eine starke Belastung für die Wirtschaft bleibt der angeschlagene Immobiliensektor, die hohe Verschuldung von Regionalregierungen und eine angespannte Lage am Arbeitsmarkt. Niedrige Löhne, hohe Jugendarbeitslosigkeit und ein schwaches Sozialsystem belasten den Binnenkonsum. Dadurch bleibt auch die Abhängigkeit von Exporten hoch. Allerdings sorgen hier die Schwäche der Weltwirtschaft, geopolitische Spannungen und Handelsstreitigkeiten etwa mit den USA und der EU für Gegenwind.

Fünf-Prozent-Ziel gefährdet

Zuletzt hatten zahlreiche Konjunkturdaten aus China enttäuscht. Bei Ökonomen und Investoren schürten diese Probleme die Sorge, dass das von der Regierung für dieses Jahr angestrebte Wachstum von rund 5% gefährdet sein und ein längerfristiger Abschwung drohen könnte. Die Industriestaaten-Organisation OECD geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 um 4,9% und 2025 nur noch um 4,5% zulegen dürfe.

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