Pläne für Öl-Sanktionen erhalten Schwung
rec/bl Frankfurt/Mailand
Die Wiederwahl Emmanuel Macrons in Frankreich verleiht Plänen für weitere Sanktionen der EU gegen Russland Schwung. Für Beobachter rückt ein Embargo für Öllieferungen näher, weil Macrons Regierung hier zu den entschiedensten Fürsprechern gehört. Vonseiten der EU-Kommission kommen gemischte Signale, was die Zerrissenheit unter den EU-Staaten verdeutlicht. Auch in längerfristige Reformvorhaben der Europäischen Union dürfte in Macrons zweiter Amtszeit Bewegung kommen. In den Hauptstädten der großen EU-Staaten und auch in Kiew hat sich Erleichterung breitgemacht. Umgehend wurden Rufe laut, Macron solle mit Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam in die ukrainische Hauptstadt reisen. Dies wäre unter einer französischen Präsidentin Marine Le Pen, deren Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin hinlänglich belegt ist, kaum denkbar gewesen. Auch schärfere Sanktionen hätte eine Wahlniederlage Macrons erschwert.
Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Privatbank Berenberg, rechnet nun neben mehr Waffenlieferungen mit einem schrittweisen Embargo für Öl aus Russland bis Ende 2022, um Engpässe bei der Ölversorgung zu vermeiden. Allerdings halten manche Experten nur einen sofortigen, umfassenden Importstopp für eine wirkungsvolle Sanktion. So argumentiert der Chefökonom des internationalen Bankenverbands IIF, Robin Brooks: „Ein kurzes, vollständiges Verbot könnte effektiver sein.“
Danach sieht es nicht aus. Zu den Arbeiten an einem sechsten Sanktionspaket sagte EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis der Zeitung „Times“, in Betracht ziehe man „eine Form von Ölembargo“. Im Gespräch ist neben einem Embargo ein Strafzoll, der Einfuhren aus Russland verteuern würde. „Aber im Moment haben wir in der EU keine geschlossene Haltung in dieser Frage“, schränkte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Gespräch mit mehreren europäischen Zeitungen ein. Borrell verwies auf den EU-Gipfel Ende Mai.
Die Diskussionen dürften sich ziehen, weil Macron noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss – auch in Rom. Ministerpräsident Mario Draghi macht den Eindruck, als verstecke er sich hinter den Positionen Brüssels und Berlins. Er hat sich nie offen für ein Embargo insbesondere beim Gas ausgesprochen, weil ihm die Industrie im Nacken sitzt. Der Industriellenverband Confindustria fürchtet den Zusammenbruch ganzer Branchen. Italiens Regierung hat zwar eilig Lieferverträge mit Algerien, Katar und dem Kongo geschlossen. Verträge mit Angola und Mosambik sind geplant. Doch die vereinbarten Lieferungen kommen erst 2023 und 2024.
Schulterschluss mit Draghi
Vorgeprescht ist Macron jüngst bei der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. Auch in dieser Frage sind die Partner in Berlin und Rom reserviert. Die Unionsfraktion will dies mit einem Antrag im Bundestag in dieser Woche beschleunigen. Italien prüft erst neuerdings ein Milliardenpaket für die Ukraine mit der Lieferung auch von schweren Artilleriewaffen und Panzerfahrzeugen. Dabei muss Draghi allerdings Rücksicht auf die Regierungsparteien Lega, deren Chef Matteo Salvini im Wahlkampf Marine Le Pen unterstützt hat, und die Fünf-Sterne-Bewegung nehmen, die Waffenlieferungen ablehnen.
Auf vielen anderen Gebieten proben Draghi und Macron einen engen Schulterschluss. Das betrifft insbesondere die Aufnahme weiterer gemeinsamer Schulden auf EU-Ebene und europäische Zuschüsse. Was die Reform der Fiskalregeln betrifft, sehen Volkswirte den Weg für eine Haushaltskonsolidierung mit Fokus auf Wachstum und Investitionen bereitet. Gerettet ist die EU-Klimapolitik: Eine Abwahl Macrons hätte das Projekt Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts gefährdet.