Positive Überraschungen trotz höherer Inflation
Positive Überraschungen trotz höherer Teuerung
Preise steigen in Großbritannien auf Jahressicht um 2,2 Prozent – Investoren hoffen auf Zinssenkung im September
mpi Frankfurt
Die Inflation in Großbritannien hat zum ersten Mal in diesem Jahr zugelegt und befindet sich mit 2,2% nun wieder über dem Inflationsziel der Bank of England (BoE). Ökonomen hatten jedoch mit einem etwas stärkeren Anstieg auf 2,3% gerechnet. Die BoE selbst sogar mit 2,4%. Insofern ist bei Investoren die Zuversicht gestiegen, dass die Notenbank nach der Zinssenkung Anfang August im September direkt die zweite folgen lassen könnte.
„Die heutigen Daten werden dem geldpolitischen Ausschuss der Bank of England ein gewisses Maß an Zuversicht geben, dass der inländische Preisdruck eine nachhaltige Rückkehr zum 2-%-Ziel weniger wahrscheinlich zum Scheitern bringen wird“, sagt Martin Sartorius, Chefökonom der arbeitgebernahen britischen Vereinigung CBI. Wie das Statistikamt ONS am Mittwoch mitteilte, schwächte sich die Inflation im Dienstleistungssektor im Juli von 5,7 auf 5,2% ab. Das ist der niedrigste Wert seit über zwei Jahren. Und es ist deutlich weniger, als die BoE mit 5,6% selbst vorhergesagt hat.
David Muir, Ökonom bei Moody’s Analytics, geht jedoch nicht davon aus, dass die Zahlen ausreichen, um die Notenbank zu einer Zinssenkung im September zu bewegen. „Die Inflation im Dienstleistungssektor bleibt weiterhin unangenehm hoch“, sagt Muir. „Und nachdem die BoE bereits begonnen hat, die Zinsen zu senken, kann sie es sich leisten, mit einer weiteren Senkung bis November zu warten, wenn dann noch deutlicher wird, dass die Aufwärtsrisiken rund um die Inflationsaussichten nachlassen.“
Kernrate der Inflation sinkt
Wie viele andere Notenbanken weltweit hat die Bank of England die Teuerung bei Dienstleistungen derzeit besonders stark im Blick. Notenbankchef Andrew Bailey warnte zuletzt angesichts des hohen Preisdrucks in diesem Sektor davor, die Leitzinsen „zu stark oder zu schnell zu senken“. Analysten gehen daher davon aus, dass die BoE eher im November als bereits im September die Zinsen senken wird. Eine schnelle Lockerung der Geldpolitik dürfte angesichts des moderater als befürchteten Preisanstiegs jedoch wahrscheinlicher geworden sein.
Die Kernrate als Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck ging im Juli im Jahresvergleich von 3,3 auf 3,1% zurück. Hierbei werden die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise ausgeklammert, sodass die Kerninflation eine höhere Aussagekraft bezüglich der Trendentwicklung hat als die Gesamtrate.
Inflation dürfte weiter steigen
Letztere fällt im Monatsvergleich sogar negativ aus. Gegenüber Juni sanken die Preise im Juli insgesamt um 0,2%. Dämpfend auf die Inflationsrate wirkte vor allem die Preisentwicklung bei Restaurants, Hotels, Haushaltsgegenständen, Kommunikationsmittel und Kleidung.
Der Anstieg der jährlichen Inflationsrate von 2 auf 2,2% erklärt sich durch statistische Basiseffekte. Ein starker Rückgang der Energiepreise vor einem Jahr – nach dem starken Anstieg in dem Jahr zuvor – fällt nun aus der Berechnung der Inflationsraten raus. Die BoE geht davon aus, dass sich die Inflation aufgrund solcher Effekte in den kommenden Monaten immer weiter vom Zielwert der Notenbank entfernen wird. Ehe 2025 dann ein erneuter Rückgang einsetzt.
Von Interesse für die Notenbank wird die Veröffentlichung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Großbritanniens im zweiten Quartal sein, die am Donnerstag ansteht. Ökonomen erwarten ein saison- und preisbereinigtes Wachstum von rund 0,4% im Vergleich zum Vorquartal. Sollte die Konjunktur besser laufen als prognostiziert, würde dies die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im September wieder reduzieren. Denn eine stark laufende Wirtschaft ist laut BoE derzeit eines der Aufwärtsrisiken für die Inflation.
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