Powell enttäuscht Märkte: höhere Zinsen nicht vom Tisch
Trotz Signalen für ein vorsichtiges Vorgehen sind Zinserhöhungen laut US-Notenbankchef Jerome Powell keineswegs vom Tisch. Die Währungshüter seien "nicht überzeugt", dass das Zinsniveau zur Bekämpfung der Inflation ausreichend restriktiv sei, erklärte der Fed-Chef am Donnerstag in einer Rede auf einer Konferenz des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, die zeitweise von Klimaaktivisten gestört wurde.
"Wir werden nicht zögern"
"Wenn es angemessen sein sollte, die Geldpolitik weiter zu verschärfen, werden wir nicht zögern, dies zu tun", sagte Powell. Zugleich bekräftigte er, dass die Notenbank vorsichtig agieren werde und auch das Risiko im Blick habe, die Zügel geldpolitisch womöglich zu stark anzuziehen. Die Entscheidungen würden von "Sitzung zu Sitzung getroffen". Im Kampf um Preisstabilität sei noch ein langer Weg zurückzulegen. Die Notenbank sei sich bewusst, dass es der größte Fehler wäre, die Inflation nicht unter Kontrolle zu bringen: "Das wird nicht passieren", betonte Powell.
An den Terminmärkten wird weiter damit gerechnet, dass die Zinsen auf der nächsten Sitzung im Dezember nicht steigen werden, zumal die Äußerungen von Powell ähnlich auch schon vor einigen Tagen geäußert worden sind; man hatte nur die Hoffnung, dass er diese etwas abschwächen. Vor diesem Hintergrund wird nun eine Zinssenkung erst ab Juni 2024 erwartet. Vor Veröffentlichung der Rede war dies schon für Mai 2024 für wahrscheinlich gehalten worden.
Ökonomen halten Leitzinserhöhungen für unrealistisch
Die Zeit der Leitzinserhöhungen in den USA ist nach Einschätzung von Ökonomen insofern aber ohnehin vorbei. Insgesamt 87 der 100 von der Nachrichtenagentur Reuters Anfang des Monats befragten Experten gaben an, dass die US-Notenbank Federal Reserve aus ihrer Sicht im aktuellen geldpolitischen Zyklus nicht mehr nachlegen wird. "In unserem Basisszenario ist die Fed mit den Zinserhöhungen fertig", sagte Andrew Hollenhorst, Chefökonom für die USA bei Citi. Er verweist darauf, dass die Fed mit Blick auf den weiteren Zinskurs ein vorsichtiges Agieren signalisiert habe. Die meisten der befragten Ökonomen (58%) gehen in der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage zugleich davon aus, dass die US-Zinsen bis zur Mitte des nächsten Jahres sinken werden.
Powells Aussagen stützten den Dollar-Index, der nach der Rede langsam an Boden gewann und um 0,4% auf 105,89 Punkte vorrückte. Zuvor lag er knapp im Plus. Die Reaktion am Aktienmarkt fiel zugleich verhalten aus. Die wichtigsten US-Indizes weiteten ihre Verluste von jeweils 0,4% aus und lagen je 0,6% im Minus.
Fed bleibt vorsichtig
Die Notenbank hat die Zinsen auf zwei Sitzungen in Folge nicht angetastet. Sie hielt den geldpolitischen Schlüsselsatz in der Bandbreite von 5,25 bis 5,50% und ließ sich die Option einer künftigen Erhöhung zugleich offen. Der Fed-Chef signalisierte allerdings auch nach dem jüngsten Zinsbeschluss, dass die Notenbank nach ihrer aggressiven Erhöhungsserie nun vorsichtiger agieren könne. Ein Grund dafür ist, dass sich die Finanzierungsbedingungen verschärft haben. Damit bewegen sich die Finanzmärkte bereits in die von der Fed gewünschte Richtung. Powell sagte dazu auf der IWF-Konferenz, dass die Fed zwar eine deutliche Verschärfung der Finanzierungsbedingungen aufgrund höherer Anleiherenditen "nicht ignorieren" werde. Doch sei davon keine "direkte Linie" zu einer geldpolitischen Reaktion abzuleiten.
Aus dem Kreis der US-Währungshüter waren zuletzt unterschiedliche Signale zu vernehmen, wie es weitergehen soll - das Zinsniveau beibehalten oder womöglich doch noch erhöhen. Der heiß gelaufene US-Arbeitsmarkt hatte sich im Oktober abgekühlt und den Finanzmärkten Sorgen vor steigenden Leitzinsen genommen. Zugleich spekulierten Händler darauf, dass Zinssenkungen näher rücken könnten.