US-Geldpolitik

Powells Dilemma

Der schwache Arbeitsmarktbericht bringt die US-Notenbank in Bedrängnis. Zum einen wächst angesichts der hohen Inflation der Druck, die Anleihekäufe zurückzufahren. Unklar ist aber, ob das geringe Stellenwachstum vorübergehend war oder der Beginn eines Trends ist.

Powells Dilemma

Mit einem so herben Rückschlag hatte kaum jemand gerechnet. Während des Sommers hatte sich die Erholung am US-Arbeitsmarkt mit solidem Tempo fortgesetzt. Zwar warnten Experten vor den potenziellen Folgen der Delta-Variante, hätten aber nicht für möglich gehalten, dass das Stellenwachstum so dramatisch einbricht. Nun stellt sich die Frage, ob es sich tatsächlich nur um einen urlaubsbedingten Ausreißer handelt oder der Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten wieder eine Talfahrt antreten wird. Vorhersehbar ist die weitere Entwicklung schon deswegen nicht, weil die politische Kluft zwischen liberal regierten Staaten und konservativen Südstaaten, in denen sich Menschen weder impfen lassen noch von Kontaktbeschränkungen etwas wissen wollen, tiefer ist als jemals zuvor.

Das stellt natürlich die Notenbank vor ein schwieriges Dilemma. Denn erst in der vergangenen Woche hatte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell erstmals einen Kurswechsel in Aussicht gestellt. Die Teuerungsrate hat nämlich das Inflationsziel von 2% deutlich überschritten, welches auch er einräumt und für einige Zeit zu dulden bereit ist. Unzufrieden ist er aber mit der Lage am Arbeitsmarkt. Sorgen bereiten die weiter relativ hohe Erwerbslosenquote, die niedrige Partizipationsrate und auch die Unebenheit der Erholung. Ermutigend war aus seiner Sicht lediglich, dass im Juni und Juli zusammen zwei Millionen neue Jobs entstanden waren. Das robuste Stellenwachstum gab Grund zur Hoffnung und hätte, wenn sich der Aufschwung fortgesetzt hätte, Anlass zum Tapering sein können.

Dann aber der völlig unerwartete Einbruch im August. Wie wird die Fed nun darauf reagieren? Der Druck, die Anleihekäufe abzuschmelzen wird angesichts der hohen Inflation zweifellos anhalten. Auch führen aber immer mehr Kritiker das keynesianische Argument ins Feld, mit dem der Nationalökonom die Grenzen der Geldpolitik illustrierte: „Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie aber selber.“ Vor allem die Republikaner befürchten, dass mit dem kräftigsten Wirtschaftswachstum aller Industrienationen, welches die USA aufweisen, das Festhalten an der ultralockeren Geldpolitik zwar die Inflation weiter anheizen wird, ohne aber das Stellenwachstum und die Erholung am Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Angesichts des robusten Wachstums und zunehmenden Preisdrucks, daran besteht kein Zweifel, muss die Notenbank früher oder später die Zügel straffer ziehen. Die Möglichkeit, dass hierfür schon im September ein Zeitplan bekannt­gegeben wird – das hatten viele gehofft –, scheint nun aber in weite Ferne gerückt zu sein. Abwarten wird der Offenmarktausschuss mindestens, bis klar ist, ob der Einbruch vom August in der Tat ein Ausreißer war oder vielmehr der Beginn eines Trends.

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