Inflation

Preisschocks in der Türkei

In der Türkei droht die Inflation außer Kontrolle zu geraten: Die Teuerungsrate macht einen Sprung. Und Verbraucher wie Unternehmen müssen sich auf weitere kräftige Preiserhöhungen einstellen.

Preisschocks in der Türkei

rec Frankfurt

Die Inflation wird für Verbraucher und Unternehmen in der Türkei zu einem immer größeren Problem. Rund um den Jahreswechsel reißen die schlechten Nachrichten nicht ab: Die Teuerungsrate ist nach offiziellen Angaben im Dezember auf 36,1% gesprungen. Es ist die höchste Jahreszuwachsrate seit zwei Jahrzehnten; manche Beobachter halten selbst diesen Wert noch für untertrieben. Außerdem müssen sich die Menschen in der Türkei darauf einstellen, dass die Preise für Strom und Gas im neuen Jahr stark steigen.

Angesichts der schweren Währungskrise hatten Beobachter damit gerechnet, dass die Inflation von zuletzt 21,6% weiter steigen würde. Der Lira-Kollaps schlägt über hohe Importpreise auf die Inflation durch. Analysten hatten im Durchschnitt einen Anstieg auf um die 30% erwartet. Dass es noch deutlich heftiger kam, führte an den Devisenmärkten zu neuerlichen Abverkäufen bei der Lira, die nach Bekanntgabe der Inflationsdaten um fast 4% zum Dollar absackte.

Die Zentralbank hatte Mitte Dezember auf Geheiß von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Leitzins ein weiteres Mal abgesenkt, obwohl die Lira zeitweise im freien Fall war. Daraufhin stürzte der Wechselkurs auf neue Allzeittiefs. Seitdem hat sich der Wechselkurs etwas erholt (siehe Grafik). Der Grund: Die Regierung hat kurz vor Weihnachten eine Einlagengarantie und weitere Hilfen beschlossen, um Sparer, Unternehmer und Investoren gegen Wechselkursrisiken abzusichern. Am Montag legte die Zentralbank nach: Per Dekret verlangt sie von Exporteuren, ein Viertel ihrer Einnahmen aus Euro, Dollar und Pfund in Lira umzuwandeln. Die Maßnahmen sorgen bei Beobachtern für Skepsis, weil sie als kurzsichtig gelten und die Symptome der Krise lindern, nicht aber deren Ursache. Diese sehen Experten in den erzwungenen Zinssenkungen.

Der Staatspräsident wendete sich am Silvestertag in einer Rede an die Bevölkerung. Darin rief er seine Landsleute dazu auf, ihre Ersparnisse in der Landeswährung zu halten und ihre Geschäfte in Lira abzuwickeln, statt diese in Fremdwährungen zu tauschen. Nach offiziellen Daten halten die Bürger der Türkei etwa die Hälfte ihrer Ersparnisse in Fremdwährungen und Gold. „Vergessen wir nicht: Solange wir nicht unser eigenes Geld als Maßstab nehmen, sind wir zum Untergang verurteilt. Die türkische Lira, unser Geld, das ist es, mit dem wir vorwärts gehen werden. Nicht mit dieser oder jener Fremdwährung“, sagte Erdogan der Nachrichtenagentur Reuters zufolge.

Im neuen Jahr müssen Verbraucher und Unternehmer nun weitere Preissteigerungen verkraften. Die Strompreise für Haushalte steigen um 50% und für verbrauchsstarke Unternehmen sogar um über 100%, wie die zuständige Behörde in Ankara kurz vor dem Jahreswechsel mitteilte. Zudem steigen die Gaspreise dem staatlichen Versorger Botas zufolge um 25% für Haushalte und um 50% für industrielle Zwecke. Die Opposition kritisierte die Erhöhungen der Energiepreise scharf. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu schrieb auf Twitter, Erdogan habe damit jede Hoffnung im neuen Jahr erstickt. Der ehemalige Zentralbankchef und Abgeordnete der oppositionellen Iyi-Partei, Durmus Yilmaz, warf der Regierung vor, die Bürger in „tiefe Armut“ zu treiben. Er warnte vor großen sozialen Problemen infolge von Erdogans Wirtschaftspolitik. Die Regierung geht wegen vermeintlicher Lira-Kursmanipulationen mit Anzeigen gegen Yilmaz und mehr als zwei Dutzend weitere Kritiker vor.

Auch im neuen Jahr kommen damit absehbar weitere Preisschübe auf die Menschen in der Türkei zu. Der Inflationssprung im Dezember wurde getrieben durch höhere Preise für Lebensmittel und Energie. Die Erzeugerpreise, ein Inflationsvorbote, legten im Dezember sogar um knapp 80% im Jahresvergleich zu, ebenfalls viel stärker als erwartet.

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