Pro-Kopf-Verschuldung steigt auf Rekord
Bundesländer bremsen Schuldendynamik
Jeder Bürger schultert rechnerisch knapp 30.000 Euro an Verbindlichkeiten von Bund, Land und Kommunen
Die Dynamik in der Staatsverschuldung nimmt wieder Schwung auf. Die anteilige Schuldenlast je Bürger war noch nie so hoch wie heute. Keine Tendenzwende in Sicht – eher eine Beschleunigung. Denn die Finanzprobleme werden mit der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren noch viel schärfer werden.
lz Frankfurt
Die öffentlichen Schulden sind Ende vergangenen Jahres mit knapp 2,5 Bill. Euro auf ein Rekordhoch gestiegen. Dies entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von 28.943 Euro, wie das Statistische Bundesamt in einer Detailauswertung der Kassendaten mitteilte. Der Zuwachs kam durch Schuldenanstiege beim Bund und bei den Gemeinden sowie bei der Sozialversicherung zustande, während die Länder Schulden abbauen konnten.
Der öffentliche Gesamthaushalt besteht aus Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie Sozialversicherung samt Extrahaushalte. Prozentual hat die öffentliche Verschuldung 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 3,3% zugelegt, was ein Plus von 77,1 Mrd. Euro entspricht.
Weniger Schulden in den Ländern
Das Bundesamt verwies zudem auf einen Sondereffekt. Denn seit dem vergangenen Jahr werden vor dem Hintergrund der Einführung des Deutschlandtickets die Schulden der Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in die Berechnung des öffentlichen Schuldenstandes aufgenommen. Ohne den ÖPNV wäre der Schuldenstand um 2,8% gewachsen und damit um 9,8 Mrd. Euro niedriger ausgefallen.
Laut den Angaben war der Bund Ende 2023 mit 1.696,3 Mrd. Euro verschuldet, das sind 4,7% mehr als im Vorjahr. Der Anstieg sei insbesondere auf die Schuldenzuwächse in den Extrahaushalten „Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie“ und „Sondervermögen Bundeswehr“ mit zusammen 47,3 Mrd. Euro zurückzuführen, hieß es. Die Schulden der Länder sanken im Vorjahresvergleich um 12,7 Mrd. Euro bzw. 2,1% auf 594,2 Mrd. Euro. Die Verschuldung der Gemeinden und Gemeindeverbände wuchs im Vorjahresvergleich um 13,8 Mrd. Euro bzw. 9,8% auf 154,6 Mrd. Euro.
Stadtstaaten im Schuldensumpf
Im Jahr 2023 ist die staatliche Schuldenlast, die auf jeden Bürger entfällt, damit nochmals um 778 Euro gewachsen auf knapp 28.943 Euro. Erneut wiesen die Stadtstaaten die höchsten Schulden auf. So lag die Pro-Kopf-Verschuldung in Bremen bei 34.012 Euro, in Hamburg bei 17.095 Euro und in Berlin bei 16.602 Euro. Unter den Flächenländern hatte das Saarland mit 13.187 Euro weiterhin die höchste Verschuldung, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 10.737 Euro. Am niedrigsten waren die Zahlen in Bayern mit 1.297 Euro und Sachsen mit 1.405 Euro.
In den kommenden Jahren werden sich die Finanzprobleme auf allen Ebenen aber erst noch weiter verschärfen, weil eine immer größere Alterskohorte in Rente geht und damit die Erwerbspersonenzahl schrumpft, sofern das nicht mit Zuwanderung aufgefangen wird. Hinzu kommt, dass die dann noch ältere Bevölkerung verstärkt Gesundheits- und Pflegedienstleistungen nachfragen dürfte, ihre Sozialbeiträge aber mit den niedrigeren Rentenbezügen geringer ausfallen werden.
Noch besteht Hoffnung auf eine höhere Produktivität, welche eine höhere Wertschöpfung ermöglichen sollte. Doch zuletzt ist sie eher zurückgegangen. Und ob künstliche Intelligenz (KI) schon bald neue Produktivitätsmaßstäbe setzt, hängt von der – im Moment eher zögerlichen – Adaption in den Unternehmen ab.
Außerdem kommt ab 2028 noch eine größere Tilgungswelle auf die Bundesregierung zu, die vertragsgemäß spätestens dann die während der Corona-Phase und dem Ukrainekrieg aufgelegten Sondervermögen nach und nach zurückzahlen muss. Die entsprechende Finanzplanung hierzu soll im August öffentlich gemacht werden.