Deutsche Konjunktur

Regierung senkt Wachstumsprognose

Die Bundesregierung erwartet Insidern zufolge für 2022 ein niedrigeres Wachstum und eine höhere Inflation als zuletzt prognostiziert. Die Entwicklung der Inflationsraten und die Energiepreise will sie genau im Blick behalten.

Regierung senkt Wachstumsprognose

ba Frankfurt

Weniger Wachstum, aber höhere Inflation – in diese Richtung wird die neue Ampel-Koalition wohl in der anstehenden Woche die Regierungsprognosen für das laufende Jahr revidieren. Für die deutsche Wirtschaft wird Insidern zufolge nur mehr ein Wachstum von 3,6% prognostiziert. Die vorherige Bundesregierung war noch von einem Plus von 4,1% ausgegangen. 2021 hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,7% zugelegt, damit aber nur einen Teil des Einbruchs um 4,6% im Coronajahr 2020 wieder wettgemacht. Die Inflation, die zuletzt sprunghaft gestiegen ist, dürfte 2022 im Schnitt 3,3% betragen – 2021 waren es 3,1%. Eine höhere Teuerungsrate wurde zuletzt 1993 mit 4,5% gemessen. Prognosen für 2023 sind in dem Jahreswirtschaftsbericht, der am Mittwoch von Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) vorgestellt und im Kabinett verabschiedet werden soll, nicht enthalten.

Mit dieser Prognose ist die Bundesregierung auf Seiten derer, die davon ausgehen, dass die hohe Teuerung nicht ganz so schnell wieder zurückgeht wie lange Zeit erwartet. Das Protokoll der jüngsten EZB-Ratssitzung hatte gezeigt, dass die Währungshüter uneins sind über die Inflationsentwicklung. Im März stehen die neuen Projektionen dazu an.

Auch die Bundesregierung „behält die Entwicklung der Inflationsrate und die maßgeblichen preistreibenden Einflussfaktoren auf den Energiemärkten und aufgrund der Lieferkettendisruptionen im Blick“, zitiert Reuters aus dem Bericht. Wegen der steigenden Energiekosten könnte auch die EEG-Umlage früher als geplant abgeschafft werden. „Die Ampel-Partner werden darüber in den nächsten Wochen beraten“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der dpa. Zuvor hatte bereits SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ein Vorziehen der für 2023 geplanten Reform ins Spiel gebracht – neben zielgerichteten Hilfen wie dem angekündigten Klimageld, einem direkten Zuschuss gerade für ärmere Haushalte. Ähnlich äußerte sich auch Grünen-Fraktionsvize Lisa Paus.

Neben den höheren Energiepreisen treiben auch die Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sowie die CO2-Bepreisung die Preise für Verbraucher in die Höhe. Dies dämpft in Verbindung mit den sich beschleunigenden Corona-Infektionszahlen die Konsumlust spürbar: Das TCB-IW-Verbrauchervertrauen ist im vierten Quartal im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten um 4 auf 103 Punkte gefallen (siehe Grafik). Dieser Stand entspreche „einem zuversichtlichen Vorkrisenniveau“, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und The Conference Board (TCB) am Freitag mitteilten. Der Spitzenwert von Anfang 2018 lag bei 108 Zählern. Die Einzelkomponenten entwickelten sich dabei uneinheitlich: Während sich die Beschäftigungsperspektiven aufgehellt haben, hat sich die Selbsteinschätzung zur eigenen Finanzlage wieder verschlechtert. Zudem sei aktuell auch die Zeit für Anschaffungen weniger gut. Leicht nachgelassen hätten indes die Inflationssorgen, schreibt das IW weiter.

Dem neuen IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zufolge sind derzeit Familien und Paare mit mittlerem Einkommen am stärksten von der Inflation belastet. Die neue Auswertung betrachtet künftig monatlich die spezifischen Teuerungsraten für acht repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Personenzahl und Einkommen unterscheiden. IMK-Expertin Silke Tober rät der Politik, die Entwicklung der Energiepreise genau im Blick zu behalten und über Hilfen für Haushalte mit niedrigen Einkommen nachzudenken. Sie macht dies an folgendem Beispiel fest: Heizt ein Paarhaushalt mit mittlerem Einkommen mit Öl und fährt ein Auto mit Verbrennermotor, liegt seine Inflationsrate bei 5,9 statt 5,5% im Dezember. Im Falle einer Gasheizung sind es 5,2% und bei der Kombination Gasheizung und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel 3,8%.

Die hohe Inflation und die Pandemieentwicklung dämpfen aber auch im gesamten Euroraum die Verbraucherstimmung. Der von der EU-Kommission ermittelte Indikator fiel vorläufigen Zahlen zufolge im Januar um 0,1 auf –8,5 Zähler.

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