Geldpolitik

Scharfe Kritik an früher Festlegung der EZB

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, wirft der EZB im Interview der Börsen-Zeitung vor, beim Zinsentscheid am Donnerstag nicht datenabhängig entschieden zu haben. Eine Ansicht, die offenbar sogar einige EZB-Ratsmitglieder teilen.

Scharfe Kritik an früher Festlegung der EZB

Kritik an früher EZB-Festlegung

Chefvolkswirt der Commerzbank: Zinssenkung nicht datenabhängig entschieden

mpi Frankfurt

Kaum ein Wort betont EZB-Präsidentin Christine Lagarde so oft wie „Datenabhängigkeit“. Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheide von Sitzung zu Sitzung anhand der vorliegenden Daten, welches Zinsniveau angemessen ist für die Eurozone. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, wirft der Notenbank vor, genau das an diesem Donnerstag nicht getan zu haben.

Die EZB habe bereits im März eine Zinssenkung ins Spiel gebracht und diese dann im April faktisch angekündigt. „Das ist nicht vereinbar mit einem Ansatz der Datenabhängigkeit, den Lagarde immer wieder gebetsmühlenartig betont“, sagt Krämer im Interview der Börsen-Zeitung.

Die jüngsten Wirtschaftsdaten haben für Krämer eine Lockerung der Geldpolitik eben nicht gerechtfertigt. Er verweist dabei insbesondere auf das anhaltend hohe Lohnwachstum und die hartnäckige Kerninflation als Indikator für den unterliegenden Preisdruck. Aus diesem Grund war die Entscheidung der EZB für Krämer ein Fehler. „Die Zinssenkung der EZB war verfrüht.“

Auch innerhalb der EZB scheint es mehrere Ratsmitglieder zu geben, die dies so sehen. Zum einen stimmte der österreichische Notenbankpräsident Robert Holzmann am Donnerstag als Einziger gegen die Zinssenkung. Er hoffe, die EZB werde die nächsten Zinsschritte datengetrieben entscheiden, sagte Holzmann am Freitag. Damit deutete er an, dass dies am Donnerstag seiner Meinung nach nicht geschehen ist.

Bedauern der Signalsetzung

Vier weitere Ratsmitglieder scheinen zudem ebenfalls nicht davon überzeugt gewesen zu sein, dass eine Zinssenkung im Juni der richtige Schritt gewesen ist. Wie Reuters mit Berufung auf Insider berichtet, hätten diese vier Notenbanker nur deshalb für eine Lockerung der Geldpolitik gestimmt, weil die EZB diese vorab sehr deutlich signalisiert hat. Hätte sie dies nicht getan, hätten die Ratsmitglieder aufgrund der jüngsten Daten für eine Beibehaltung der Zinssätze auf ihren Niveaus votiert. Die klare Signalsetzung der EZB für eine Zinssenkung im Juni bedauern sie im Nachhinein.

Am Freitag dominierten dann auch die Stimmen, die zur Vorsicht beim Tempo von Zinssenkungen mahnten. Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer glaubt nicht, dass eine zweite Zinssenkung vor der Sommerpause noch ein Thema ist. „Aber im September dürfte sie ihre Zinsen senken, sofern es Inflation und Löhne halbwegs hergeben. Denn die Anhänger einer grundsätzlich lockeren Geldpolitik sind im EZB-Rat weit in der Überzahl.“

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