Treffen in Paris

Scholz und Macron inszenieren Freundschaft

Die Absage des eigentlich für diese Woche geplanten deutsch-französischen Ministerrates hat die Spannungen zwischen Paris und Berlin offen zu Tage treten lassen. Nach einem Besuch von Scholz bei Macron waren beide Seiten um Schadensbegrenzung bemüht.

Scholz und Macron inszenieren Freundschaft

Von Gesche Wüpper, Paris

Sie drückten sich lange die Hand und lachten gemeinsam in die Kamera. „Seht her, wir verstehen uns bestens“, wollten Emmanuel Macron und Olaf Scholz dem Betrachter damit wohl sagen. Denn die Nachricht, der eigentlich für diesen Mittwoch geplante deutsch-französische Ministerrat sei auf einen unbekannten Termin verschoben worden, hatte in Frankreich für Negativschlagzeilen gesorgt. Die Absage des seit 2003 mindestens einmal pro Jahr stattfindenden Treffens hatte die Spannungen zwischen Berlin und Paris offengelegt.

Nun zeigten sich beide Seiten um Schadensbegrenzung bemüht. Das Gespräch der zwei Staatsoberhäupter sei freundschaftlich, partnerschaftlich und sehr konstruktiv verlaufen, betonten hinterher sowohl französische als auch deutsche regierungsnahe Kreise. Es seien Arbeitsgruppen zu den Themen Energie, Verteidigung und Innovationen eingerichtet worden, verlautete aus dem Élysée. Macron und Scholz hätten sich über die geplante Reise des Bundeskanzlers nach China und über den anstehenden USA-Besuch des französischen Präsidenten ausgetauscht und eine enge Abstimmung vereinbart, hieß es aus Berlin. Es seien auch eine Reihe von Kooperationen vereinbart worden. Details dazu wurden allerdings nicht genannt. „Deutschland und Frankreich stehen eng zusammen und gehen die Herausforderungen gemeinsam an“, erklärte Bundeskanzler Scholz auf Twitter. Und doch konnte die sorgsame Inszenierung des dreistündigen Treffens mit einem 20-minütigen Vier-Augen-Gespräch am Ende kaum darüber hinwegtäuschen, dass der deutsch-französische Motor ins Stottern geraten ist. So gab es außer einem Fototermin weder eine gemeinsame Pressekonferenz noch Statements. Auch darüber soll es hinter den Kulissen zu einem Tauziehen gekommen sein.

Zwischen Paris und Berlin knirscht es nicht nur wegen der Frage, wie Europa mit der Energiekrise umgehen soll, sondern auch wegen der Befürchtung Frankreichs, das Machtzentrum in Europa könnte sich nach Osten verlagern. Dass Scholz den deutsch-französischen Beziehungen in seiner Prager Rede keine besondere Rolle einräumte und Macron nicht vorab über das geplante 200 Mrd. Euro schwere Hilfspaket informierte, kam in Paris nicht gut an.

Rüstung sorgt für Streit

Ebenso wenig die Ankündigung Berlins, mit 14 Staaten ein europäisches, auf israelischer und amerikanischer Technologie basierendes Luftverteidigungssystem aufbauen und einen Teil des 100 Mrd. Euro schweren Sondervermögens für die Bundeswehr für die Beschaffung von F-35-Kampfjets des US-Konzerns Lockheed-Martin verwenden zu wollen. All das wird in Frankreich als Verrat empfunden. Statt europäische Projekte zu bevorzugen, habe sich Deutschland nach der Invasion der Ukraine durch Russland beeilt, US-Material zu kaufen, schreibt die Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Dass die Bundesrepublik auch aus historischen Gründen enge Beziehungen zu den USA pflegt, ist den meisten Franzosen gar nicht bewusst. Zudem fehlt das Verständnis dafür, dass Deutschland wegen seiner Vergangenheit ein anderes Verhältnis zu Rüstungsthemen hat. Dagegen ist Frankreich stolz auf seine Verteidigungsindus­trie, die es tatkräftig unterstützt.

Das von Scholz angeregte Luftverteidigungssystem wird deshalb als Konkurrenz zu dem im Rahmen einer französisch-italienischen Kooperation entwickelten Luftverteidigungssystem „Mamba“ empfunden, die F-35-Kampfjets als nichteuropäischer Rivale zur Rafale von Dassault Aviation. Der französische Flugzeugbauer sowie Airbus Defence and Space ringen um die Verantwortung bei dem deutsch-französisch-spanischen Kampfjetsystem-Projekt FCAS (Future Combat Air System). Unstimmigkeiten darüber sollen einer der Gründe gewesen sein, weshalb der für diese Woche geplante deutsch-französische Ministerrat verschoben wurde. Scholz und Macron hätten aber einige Hindernisse dafür aus dem Weg geräumt, hieß es nun in Paris. Alle Seiten seien bemüht, sich so schnell wie möglich noch vor Ende des Jahres zu einigen.

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