Schweizer Nationalbank beendet Negativzinsen
dz Zürich
„Es ist viel besser, wenn wir uns in einem Umfeld mit positiven statt mit negativen Zinsen bewegen können“, sagte der Schweizer Nationalbank-Chef Thomas Jordan am Donnerstag, als er nach fast acht Jahren das Ende der Negativzinsära ausrief. „Wir können uns fortan viele unnötige Diskussionen ersparen“, sagte Jordan mit verdecktem Verweis auf Kritiker vor allem im Banken- und Finanzmilieu.
Die Rückkehr zu einem positiven Zinsniveau werde zu weniger Verzerrungen im Wirtschaftssystem führen, räumte Jordan die unbestrittenen Schwächen des Negativzinsregimes ein. Doch der geldpolitische Nutzen der Maßnahme habe die Kosten klar übertroffen. „Ohne Negativzins hätte die Preisstabilität nicht gewährleistet werden können, und die Konjunkturentwicklung wäre deutlich ungünstiger gewesen“, erklärte Jordan.
Der Zinsentscheid sorgte auf den ersten Blick für keine Überraschung. Nach der letzten Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte im Juni, als die SNB den Leitzins auf −0,25% angehoben hatte, erfolgte am Donnerstag der von den meisten Beobachtern erwartete Schritt um 0,75% auf das neue Niveau von 0,5%. Wie vor drei Monaten begründete Jordan die Maßnahme mit der Entwicklung der Teuerung. Diese wird sich nach Einschätzung der SNB 2022 im Schnitt auf 3%, 2023 auf 2,4% und im Jahr 2024 immer noch auf 1,7% belaufen – mit erneut steigender Tendenz gegen Ende des Prognosezeitraumes.
Die Inflationsprognose der SNB unterstellt über den ganzen Prognosezeitraum einen Leitzins in der neuen Höhe von 0,5%. Die Nationalbank geht demnach davon aus, dass die Inflation ohne die aktuelle Zinserhöhung deutlich höher wäre. Implizit geht die SNB auch davon aus, dass sie vielleicht schon im Dezember, anlässlich ihrer letzten Zinssitzung in diesem Jahr, zu einer weiteren Leitzinserhöhung gezwungen sein könnte. Ein Hinweis darauf ist die Dynamik der erwarteten Inflationsentwicklung zum Ende des Prognosezeitraumes, die in Richtung 2% und darüber weist. Ziel der SNB ist eine Inflation zwischen 0% und 2%.
Allerdings blieb die SNB bezüglich eines nächsten Zinsschrittes weniger eindeutig als etwa Fed oder EZB. An den Devisenmärkten wurde diese nicht außergewöhnliche Zurückhaltung der Schweizer womöglich etwas voreilig als Signal interpretiert, dass man dem Ende der Fahnenstange bei den Zinsen schon sehr nahe sei. Das führte am Donnerstag zu einer Abwertung des Franken zum Dollar und zum Euro um zeitweise fast 2%.
Für Spannung wird in den nächsten Tagen die Reaktion des Schweizer Bankenmarktes auf die Leitzinserhöhung sorgen. Die Nationalbank passt die Umsetzung der Geldpolitik an das neue Umfeld positiver Zinsen an und wird die bei ihr liegenden Sichtguthaben der Geschäftsbanken bis zu einer bestimmten Limite ab Freitag mit 0,5% verzinsen. Dabei geht es um eine Summe von rund 580 Mrd. sfr. Hinzu kommen liquiditätsabschöpfende Maßnahmen über Repo-Geschäfte und die Ausgabe von speziellen Schuldverschreibungen (SNB Bills) im Umfang von bis zu 175 Mrd. sfr. So will die Nationalbank sicherstellen, dass die Normalisierung des Zinsniveaus sehr schnell auch bei den Sparerinnen und Sparern ankommt.
Mindestens indirekt räumte Jordan ein, dass das Experiment mit den Negativzinsen einem ökonomischen Tabubruch gleichkam. Man sei zuvor davon ausgegangen, dass es eine Zinsuntergrenze von leicht über null gebe, die für das Funktionieren der Wirtschaft notwendig sei. Dieses Dogma habe man hinterfragt, als es um Alternativen zum 2011 eingeführten Euro-Mindestkurs ging. Es sei ein Glück gewesen, dass die SNB das Negativzins-Experiment früh vorbereitet habe und bereit war, dieses umzusetzen, als 2014 klar wurde, dass der Euro-Mindestkurs langfristig nicht zu halten war.