Konjunkturindikator

Sentix warnt vor tiefer Rezession in Deutschland

Die Konjunkturlage ist ausweislich des Sentix-Konjunkturindikators so schlecht wie seit 2008 nicht mehr, als Euroland noch in den Nachwirren der Weltfinanzkrise steckte. In der Umfrage ist von einem „katastrophalen Zustand der wirtschaftlichen Verfassung“ die Rede.

Sentix warnt vor tiefer Rezession in Deutschland

Die Furcht vor einer tiefen Rezession in der Euro-Zone und in Deutschland greift unter Börsianern um sich. Das zeigt das von der Investment-Beratungsfirma Sentix veröffentlichte Barometer für Oktober. Der Gesamtindex zur Euro-Zone sackte von minus 31,8 Zählern im September auf minus 38,3 Punkte im laufenden Monat ab und damit den niedrigsten Wert seit Mai 2020. Damals rauschte die Wirtschaft im Sog der Corona-Krise talwärts.

„Die Konjunktur in der Eurozone befindet sich weiter im Absturz“, kommentierte Sentix das Ergebnis. „Die anhaltenden Unsicherheiten über die Gas- und Energielage im Winter sind durch den Anschlag auf die Nordstream-Pipelines nicht kleiner geworden“, erklärte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner die aktuelle Skepsis der 1331 befragten Anleger.

Die Lagewerte des Barometers signalisierten ganz klar, dass sich die Wirtschaft in einer Rezession befinde. Und der Rückgang der Erwartungen um vier Punkte auf minus 41,0 Zähler markiere den tiefsten Wert seit Ende 2008: „Dies ist eine deutliche Warnung vor einer sehr tiefen ökonomischen Verwerfung“, betonte der Hübner.

Wenig Grund zur Hoffnung

Zu den konjunkturellen Sorgen komme nun auch noch eine steigende Wahrscheinlichkeit einer Ausweitung des militärischen Konfliktes in der Ukraine hinzu. Und die Umfragedaten für Deutschland signalisieren laut Sentix einen „katastrophalen Zustand der wirtschaftlichen Verfassung“. Der Gesamtindex fiel zum vierten Mal in Folge – und zwar um 7,5 Zähler auf minus 37,4 Punkte. Dies ist der tiefste Wert seit März 2009, als Deutschland in den Nachwirren der Weltfinanzkrise steckte. „Der Niedergang, wie er sich in den Sentix-Indizes darstellt, ist jedenfalls beispiellos“, erklärte Sentix-Geschäftsführer Hübner. Der einstige ökonomische Musterknabe versinke immer tiefer im Strudel der energiepolitischen Geisterfahrt, auf die sich das Land selbst gebracht habe. „Die aktuelle Regierung und vor allem der Wirtschaftsminister Robert Habeck scheinen der Größe der Aufgabe nicht gewachsen zu sein“, kommentiert Hübner. .Global gebe es nur wenig Grund zur Hoffnung: Die Daten für die USA befinden sich danach ebenfalls im Rückwärtsgang, der Abschwung sei immerhin gemäßigter als in Europa. „Einzig in China scheint es sich aktuell etwas zu stabilisieren“. Aber China könne das globale Konjunkturschiff nicht halten.

Der Sentix-Indikator basiert auf einer Umfrage unter Finanzmarktteilnehmern und ist damit in etwa vergleichbar mit den ZEW-Konjunkturerwartungen. Analysten messen der Umfrage Bedeutung zu, weil sie besonders früh im jeweiligen Berichtsmonat veröffentlicht wird und damit Hinweise auf andere Indikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima liefern kann. Die Umfrage wurde vom 6. bis 8. Oktober unter 1331 Investoren durchgeführt, davon 249 institutionelle Anleger.

Firmenpleiten steigen deutlich

Dass deutsche Unternehmen derzeit wenig Grund für Optimismus haben, bestätigen auch die ersten Ergebnisse des im September von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte erhobenen Umfrage unter 124 Finanzvorständen (CFOs) deutscher Großunternehmen: Diese sehen einen weiteren starken Rückgang ihrer Geschäftsaussichten. „Die aktuelle Liste der Krisen, mit denen Unternehmen derzeit kämpfen, ist so lang wie wahrscheinlich nie zuvor“, sagte Alexander Börsch, Chefökonom und Leiter Research bei Deloitte: „Der Ukraine-Krieg und die exorbitant gestiegenen Energiepreise, die hohe Inflation, die wirtschaftliche Schwäche in China und den USA sowie die Kehrtwende in der Geldpolitik – die schlechte Stimmung unter deutschen CFOs kann nicht verwundern.“ Statt des zu Jahresbeginn erwarteten Aufschwungs müssten die Konjunkturprognosen kontinuierlich herabgesetzt werden. Der Abschwung sei jetzt bei den Unternehmen angekommen.

Als Alarmzeichen gilt auch, dass Firmenpleiten nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im September deutlich zugenommen haben. Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften ist demnach um 34% im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 762 gestiegen. „Die Zahl der Insolvenzen wird in den nächsten Monaten weiter spürbar ansteigen“, sagte IWH-Experte Steffen Müller voraus.

Verantwortlich dafür sind den Angaben nach neben der sich eintrübenden konjunkturellen Lage in erster Linie stark steigende Preise bei wichtigen Produktionsfaktoren. Neben den Kosten für Energie klettern derzeit auch Löhne und Kreditzinsen. Dem IWH zufolge wird das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um 1,4% sinken, nachdem es in diesem Jahr noch um 1,1% wachsen soll. „Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Rezession“, heißt es in der Herbstprognose des IWH.