Schlussnote

Shades of Green

Seit dem Machtwechsel im Weißen Haus und dem Wiederbeitritt der USA zum Pariser Klimaabkommen ist die Ernsthaftigkeit in den weltweiten Klimaschutz zurückgekehrt. Denn ohne den zweitgrößten CO2-Emittenten der Welt, der für 15 % des globalen...

Shades of Green

Seit dem Machtwechsel im Weißen Haus und dem Wiederbeitritt der USA zum Pariser Klimaabkommen ist die Ernsthaftigkeit in den weltweiten Klimaschutz zurückgekehrt. Denn ohne den zweitgrößten CO2-Emittenten der Welt, der für 15 % des globalen Treibhausgas-Ausstoßes steht, wären alle Anstrengungen der für 8 % der Emissionen verantwortlichen EU-Länder auf diesem Gebiet vergebene Liebesmüh. Zumal der CO2-Ausstoß des Hauptemittenten China, auf den 28 % der Treibhausgas-Emissionen entfallen, in den nächsten Jahren noch zunehmen wird, ehe er nach 2030 nach den Plänen von Staatschef Xi Jinping sukzessive sinken und China bis zum Jahr 2060 CO2-neutral werden lassen soll.

Doch die Wege zu diesem Ziel scheiden nicht nur die großen Industriemächte und deren Regierungen, auch in der EU sind sich die Staaten und Politiker längst nicht einig darüber, was Klimaschutz bedeutet und wie er zu erreichen ist. Entsprechend widersprüchlich sind auch die einschlägigen Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes, sei es in den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, zu deren Umsetzung UN-Klimabotschafter Mark Carney gerade eine „Klima-Allianz“ der Finanzbranche vorgestellt hat, oder in Form des jüngst von der EU-Kommission vorgelegten Maßnahmenpakets, in dessen Mittelpunkt die Taxonomie steht. Das Problem all dieser wohlfeilen Bekundungen: Sobald es um die konkrete Umsetzung sprich Förderung beziehungsweise Belastung bestimmter Branchen und Unternehmen geht, ist es mit der Gemeinsamkeit vorbei. Die Frage, ob Atomkraftwerke wegen ihres niedrigen CO2-Ausstoßes als „grüne“ Investitionen einzustufen seien, wie dies Frankreich oder auch osteuropäische Länder sehen, ist nur das bekannteste Beispiel. Für die deutsche Energiewirtschaft steht beispielsweise im Vordergrund, ob Gaskraftwerke, die Kohlekraftwerke ersetzen, zumindest als Brückentechnologie der EU-Taxonomie entsprechen.

Von der Antwort auf diese Fragen hängen die Kapitalströme ab, die Investoren als Eigenkapitalgeber und Banken als Fremdkapitalgeber künftig in die Sektoren und Unternehmen lenken wollen oder dürfen – und damit auch die Finanzierungskosten. Entsprechend heftig ist das Tauziehen um die Nachhaltigkeitskriterien, entsprechend groß der Anreiz zu „Greenwashing“. Dem will die EU-Kommission nun vorbeugen. Damit sich Unternehmen nicht nachhaltiger und klimafreundlicher darstellen können, als es der (von der EU definierten) Wirklichkeit entspricht, hält Brüssel nun ein Bündel von Richtlinien und Verordnungen parat. Dies trifft auch die Anbieter von Finanzprodukten, die mit einem Ökolabel künftig zeigen sollen, wie grün ihre Fonds sind (von „light green“ bis „dark green“). Außerdem sollen sie die Anleger mit einer Vielzahl von Kennzahlen aufklären, wie bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden.

Bei allem Respekt vor der guten Absicht, durch mehr Transparenz nachhaltigere Anlageentscheidungen zu fördern: Die Gefahr ist groß, dass am Ende mit einem riesigen bürokratischen Aufwand und hohen Kosten wenig erreicht wird. Wenn schon die Interpretation von vermeintlich einfachen Daten wie Finanzkennzahlen für viele Anleger herausfordernd ist, wie sollen sie dann die Shades of Green verstehen und erkennen, was alles dahinter verborgen sein kann?