Konjunktur

Spanische Wirtschaft bangt um ausländische Touristen

Das Gastgewerbe ist der größte Arbeitgeber des Landes. Die ausländischen Besucher kommen langsam wieder an die Strände zurück. Nun hofft man auf ein Ende der Reisebeschränkungen in Großbritannien, dem wichtigsten Markt.

Spanische Wirtschaft bangt um ausländische Touristen

Von Thilo Schäfer, Madrid

Benidorm ist eines der Aushängeschilder des Tourismus in Spanien. Der Badeort mit den vielen Wolkenkratzern an der Costa Blanca ist dieser Tage aber auch Spiegelbild für die Probleme der Branche. Im Zentrum und an den Stränden geht es recht belebt zu, hauptsächlich dank der Gäste aus anderen Ecken Spaniens sowie ausländischen Touristen aus Nordeuropa. Doch im östlichen Teil der Stadt herrscht Tristesse: geschlossene Hotels, verrammelte Pubs und Fish-and-Chips-Läden. Der Rincón de Loix ist die Hochburg der Touristen aus Großbritannien. Doch die kommen nicht, da Spanien auf der schwarzen Liste steht, mit Ausnahme der Balearen, die sich über die Besucher von den Inseln freuen.

Die Briten sind die größte Kundschaft der spanischen Tourismusbranche, die 2019 mit 83 Millionen ausländischen Besuchern einen Rekord aufgestellt hatte. Die Bedeutung des Reisegeschäfts für die Wirtschaft ist enorm. Vor der Pandemie machte der Tourismus 12% des Bruttoinlandproduktes aus – und einen noch größeren Anteil an der Beschäftigung. Das Ende vieler Reisebeschränkungen in Spanien und im Rest Europas, dank sinkender Inzidenzzahlen und dem Fortschritt der Impfkampagnen, hat zahlreiche Hotels, Restaurants und Bars bewogen, wieder zu öffnen und ihre Angestellten aus der Kurzarbeit zu holen.

Das zeigte auf eindrucksvolle Weise die Entwicklung am Arbeitsmarkt im Juni. Mit 233000 neuen Beitragszahlern der Sozialversicherung gegenüber Mai wurden in einem Monat so viele Jobs geschaffen wie noch nie. Davon entfielen mehr als die Hälfte der Stellen (126500) auf das Gastgewerbe. Die Zahl der Kurzarbeiter sank um 95000 auf noch 450000. Ein Großteil davon wartet nun auf mehr Gäste aus dem Ausland, damit auch die übrigen Hotels und Restaurants wieder ihre Türen öffnen.

Doch seit ein paar Tagen ist mit den wieder schnell steigenden Infektionszahlen auch die Sorge in der Wirtschaft über einen weiteren verlorenen Sommer gewachsen. Zwar stecken sich hauptsächlich nicht-geimpfte jüngere Menschen an, wodurch die Situation in den Krankenhäusern und die Sterberate kaum betroffen sind. Doch das Schicksal des Nachbarn Portugal macht Angst. Die britische Regierung hatte Portugal wegen der starken Ausbreitung der Delta-Variante wieder auf die rote Liste gesetzt und Reisen dorthin verboten. Dann führte auch Deutschland eine Quarantänepflicht für Portugal-Urlauber ein, selbst für Geimpfte.

Mit 3,2 Millionen ausländischen Besuchern seit Jahresbeginn liegt Spanien 90% unter dem Vorkrisenniveau von 2019, laut Zahlen des Nationalen Statistikamtes. Ein Hoffnungsschimmer ist die Reisefreudigkeit der Spanier, wie sich nach dem Ende des Gesundheitsnotstandes Anfang Mai gezeigt hat. Der Verband der Tourismuswirtschaft Exceltur erwartet, dass der nationale Reiseverkehr dieses Jahr 90% des Niveaus von 2019 erreichen wird. Doch die heimischen Urlauber machen nur ein Drittel der Kunden aus. „Es zeichnet sich ab, dass es ein guter Sommer für den inländischen Tourismus wird“, sagte die Ministerin für Tourismus, Handel und Industrie, Reyes Maroto, am Montag in der Zeitung „El País“: „Wir können noch die Hälfte des internationalen Tourismus retten. Das ist ein vorsichtiger Ausblick“, so die Sozialistin.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez vertraut auf die 140 Mrd. Euro, die sein Land aus dem europäischen Wiederaufbaufonds beziehen wird. Davon gehen auch 3,4 Mrd. Euro in die Modernisierung der Reisebranche. Im Gegenzug für diese Hilfen hat Sánchez in Brüssel umfangreiche Reformversprechen abgegeben. Bei der Überholung des angeschlagenen Rentensystems wurde vergangene Woche ein Durchbruch in den Verhandlungen mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften erzielt.

Die Reform des Arbeitsmarktes wird jedoch schwierig, da die Positionen weit auseinanderliegen – auch in der Regierungskoalition. So drängt das Linksbündnis Unidas Podemos auf eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns in diesem Jahr. Die Sozialisten von Sánchez halten dies für verfrüht angesichts der weiter schwierigen Lage vieler Branchen, wie natürlich dem Tourismus. Die Gewerkschaften kündigte am Montag Protestaktionen für einen höheren Mindestlohn an. Auf kurze Sicht wichtiger für die spanische Wirtschaft ist jedoch die Entscheidung am 15. Juli, wenn die britische Regierung ihre Liste der erlaubten und verbotenen Reiseziele überarbeitet.