Schwedische Geldpolitik

Spektakuläre Zinswende

In Schweden hat die Riksbank die erste Zinserhöhung mal eben um zwei Jahre vorgezogen. Diese Kehrtwende wird auch bei der EZB Eindruck hinterlassen.

Spektakuläre Zinswende

Wenn in der Sphäre der Geldpolitik in jüngerer Zeit eine Kehrtwende das Attribut spektakulär verdient hat, dann diese: Die schwedische Zentralbank hat am Donnerstag ihre Nullzinspolitik beendet. Das Wort Überraschung ist für diese Entscheidung die Untertreibung des Jahres. Beobachter sind verblüfft bis geschockt, galt die Riksbank doch bislang als Hort einer anhaltend lockeren Geldpolitik in Europa.

Noch vor wenigen Wochen rechnete kaum ein Analyst mit einer Zinserhöhung in Schweden vor 2024, geschweige denn in diesem Jahr. Das nach außen getragene Zaudern der Kronen-Hüter gab trotz hoher Inflation keinen Anlass, an dem vorgegebenen Zinspfad zu zweifeln: Im Februar avisierte die Riksbank den Beginn der Zinswende für das erste Quartal 2024. Nun der plötzliche Sinneswandel. Die Riksbank hat den ersten Zinsschritt um 25 Basispunkte mal eben um zwei Jahre vorgezogen.

Die Kehrtwende der Riksbank wird auch bei den Euro-Währungshütern Eindruck hinterlassen. Immer mehr kommen aus der Deckung, indem sie für Juli eine Zinserhöhung in Aussicht stellen. In Schweden galt bislang die Devise, die Europäische Zentralbank (EZB) werde ihrerseits den Druck auf die Riksbank zur Abkehr vom Dauernullzins erhöhen. Von nun an ist es umgekehrt.

Somit hat die abrupte Zinswende der Riksbank Bedeutung weit über die Grenzen Skandinaviens hinaus. Sie ist ein eindeutiges Indiz, dass sich die Prioritäten in immer mehr geldpolitischen Führungsetagen von der Stabilisierung der Konjunktur um jeden Preis zur Inflationsbekämpfung verlagert haben. Sorgen um das Wachstum stehen hintan. Eine Meldung aus dem Statistikamt just am Morgen des Zinsentscheids illustriert das: Schwedens Bruttoinlandsprodukt ist von Januar bis März im Vergleich zum vierten Quartal 2021 leicht geschrumpft. Die Riksbank hat sich davon in ihrer neuen Entschlossenheit nicht beirren lassen.

Für die EZB bedeutet dies, dass sie im Kampf gegen die unvermindert hohe Inflation weiter zurückfällt. Die US-Notenbank Fed wird Anzeichen wirtschaftlicher Überhitzung samt hohem Lohndruck aller Voraussicht nach mit mehreren aggressiven Zinserhöhungen kontern. EZB-Chefin Christine Lagarde wird hingegen nicht müde zu betonen, die wirtschaftliche Lage im Euroraum sei nun mal anders – nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs. In der Sache liegt Lagarde damit nicht ganz falsch. Doch diese Argumentation wird nach der Kehrtwende der Riksbank immer weniger ziehen. Die Ära von Null- und Negativzinsen geht zu Ende.

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