Ifo-Geschäftsklima

Stabiles Unternehmensklima dämpft Konjunkturhoffnungen

Dass die Unternehmensstimmung im Mai stabil geblieben ist, statt wie von anderen Frühindikatoren angedeutet weiter anzusteigen, werten Ökonomen als Enttäuschung. Die erwartete Konjunkturerholung verläuft wohl weniger dynamisch.

Stabiles Unternehmensklima dämpft Konjunkturhoffnungen

Dämpfer für Konjunkturhoffnung

Ifo-Geschäftsklimaindex stagniert im Mai − Dienstleister drücken Stimmung − Erneute Erholung am Bau

Dass die Unternehmensstimmung im Mai stabil geblieben ist, statt wie von anderen Frühindikatoren angedeutet weiter anzusteigen, werten Ökonomen als Enttäuschung. Die erwartete Konjunkturerholung verläuft wohl weniger dynamisch als zwischenzeitlich erhofft.

ba Frankfurt

Die Stimmung in den deutschen Unternehmen hat sich im Mai entgegen den Erwartungen nicht weiter aufgehellt. Mit der deutschen Wirtschaft geht es aufwärts, aber doch langsamer als erhofft − so wird die Stagnation des Ifo-Geschäftsklimaindex im Mai bei 89,3 Punkten gedeutet. Denn, so mahnen Bankvolkswirte in ihren Kommentaren, es habe sich weder an den konjunkturellen Bremsfaktoren etwas verändert, noch habe es von Seiten der Politik Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen gegeben.

„Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich schrittweise aus der Krise heraus“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 9.000 Unternehmen. Nach drei Anstiegen in Folge hatte das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaftsentwicklung im April die konjunkturelle Trendwende zum Besseren signalisiert. Allerdings fiel der Anstieg im Vormonat etwas lascher aus als ursprünglich gemeldet: So ging es von 87,9 auf 89,3 statt 89,4 Zähler nach oben. Ökonomen hatten mit einem erneuten Zuwachs gerechnet, und zwar auf 90,4 Punkte.

Dementsprechend enttäuscht zeigten sie sich nun von dem Umfrageergebnis. „Vor allem die Lagebeurteilung zeigt, dass Konjunktursorgen weiterbestehen“, erklärt Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die bessere Bewertung der Erwartungen − der entsprechende Indikator legte um 0,7 auf 90,4 Punkte zu − egalisierte im Mai die wieder höhere Unzufriedenheit mit der aktuellen Geschäftslage. Das Lagebarometer gab um 0,6 auf 88,3 Punkte nach. „Industrie, Handel und Bau erholen sich, während die Dienstleister einen Dämpfer bekommen“, fasst Fuest die Lage der Sektoren zusammen.


Interview mit Ifo-Präsident Clemens Fuest zum Umfrageergebnis


Die etwas eingetrübte Stimmung der Dienstleister verhinderte im Mai einen weiteren Anstieg des Geschäftsklimas, erklärte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. In Bereichen wie der IT und dem Tourismus habe es hier einen leichten Rücksetzer gegeben, allerdings von einem vergleichsweise hohen Niveau aus. Die Auftragslage habe sich aber verbessert.

„Hoffnung kehrt zurück“

In der Industrie wiederum hat der Auftragsrückgang Wohlrabe zufolge zumindest an Geschwindigkeit verloren. „Wir sind hier noch nicht bei Optimismus angelangt, die Hoffnung kehrt aber langsam zurück.“ Das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe hat den dritten Monat in Folge zugelegt, da sowohl die aktuelle Lage besser beurteilt wurde als auch die Erwartungen gestiegen sind. Zudem berichten die Münchener Wirtschaftsforscher, dass energieintensive Industriebranchen wieder Licht am Ende des Tunnels sehen, darunter die Bereiche Chemie, Papier und Glaswaren. Diese hatten nach Beginn des Ukraine-Kriegs besonders unter den stark gestiegenen Energiekosten gelitten.

Im Einzelhandel geht es zwar leicht bergauf. „Er hat aber noch Luft nach oben“, sagte Wohlrabe. „Die Verbraucher halten sich noch zurück.“ Auf ihren Konsumausgaben ruhen aber die Wachstumshoffnungen. Die schwindende Inflation in Kombination mit hohen Lohnzuwächsen sorgt bei den Verbrauchern für eine höhere Kaufkraft. Derzeit ist das Konsumklima aber noch schwach und zuletzt wurde eher mehr gespart denn Geld ausgegeben. Ökonomen erwarten, dass das GfK-Konsumklima, das am Mittwoch veröffentlicht wird, von niedrigem Niveau aus weiter zulegt.

Baugewerbe überrascht

Eine wirkliche Überraschung ist für Martin Moryson, DWS-Chefvolkswirt Europa, das Baugewerbe. Die seit einiger Zeit sichtbare Stimmungsverbesserung sei kein Ausreißer − nach vier kräftigen Verbesserungen in Folge müsse man „zur Kenntnis nehmen, dass auch für die Bauindustrie das Ende der Talsohle in Sicht kommt“. Im Mai haben hier sowohl Erwartungs- als auch Lagekomponente erneut zugelegt. Dabei weist Moryson darauf hin, „dass der Bau nicht nur den Wohnungsbau umfasst, der stark unter den gestiegenen Zinsen leidet, sondern auch den Tiefbau, der von den vielen ‚Baustellen‘ Deutschlands wie öffentliche Infrastruktur, Digitalisierung, Energiewende etc. profitieren sollte“. Allerdings, so schränkt das Ifo ein, bleibe hier der Auftragsmangel ein zentrales Problem.

Für ING-Chefökonom Carsten Brzeski sind die Daten eine „kalte Dusche für Optimisten“. Der Ifo-Index habe gezeigt, „dass auf die konjunkturelle Bodenbildung nicht automatisch eine kräftige Erholung folgen wird“. Schwung erwartet er vom privaten Verbrauch, aber auch der Lagerzyklus dürfte allmählich ins Positive drehen. Der Aufschwung, so betont Ifo-Experte Wohlrabe, „bleibt ein zartes Pflänzchen“. Für das Frühjahrsquartal erwartet er ein erneutes Wachstum nach den 0,2% zum Jahresstart. Als Argumente für eine Erholung zählt LBBW-Ökonom Elmar Völker die stabilisierte weltwirtschaftliche Lage, den sukzessive nachlassenden Inflationsdruck und die kurz bevorstehende erste Zinssenkung der EZB.

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