Euro-Konjunktur

Stimmung lässt immer weiter nach

Umfragen der EU-Kommission und von S&P Global zeigen, wie stark die Stimmung in sämtlichen Wirtschaftsbereichen unter dem Ukraine-Krieg und dem wieder zunehmenden Lieferkettenstress leidet. Lichtblicke sind Mangelware.

Stimmung lässt immer weiter nach

ba Frankfurt

Die Wirtschaftsstimmung im Euroraum hat sich auch im zweiten Monat des Ukraine-Kriegs deutlich eingetrübt. Und auch die Beschäftigungserwartung ist zurückgegangen. Die Aussichten bleiben also schwierig, nachdem die Inflation immer weiter anzieht, Umfrageergebnisse einen anhaltend hohen Preisdruck zeigen und Lockdowns in China für zusätzlichen Lieferkettenstress sorgen. Zudem ist immer noch ein Ölembargo seitens des Westens oder ein von Russland verhängter Gaslieferstopp möglich – Ökonomen warnen bereits, dass zumindest die deutsche Wirtschaft in diesem Fall in die Rezession rutschen würde.

Der Rückgang des Economic Sentiment Indicator (ESI) im April um 1,7 auf 105,0 Punkte war breit basiert und fiel etwas kräftiger aus als erwartet. Allerdings wurde der März-Wert wegen einer Änderung der Saisonbereinigungsmethode von zunächst 108,5 auf 106,7 Zähler nach unten revidiert. Ökonomen wurden daher mit ihrer Prognose von 108 Punkten auf dem falschen Fuß erwischt. Die monatliche Umfrage der EU-Kommission zeigt, dass die Dienstleister nur noch wenig vom Ende der coronabedingten Restriktionen profitieren. Der entsprechende Indikator gab nur geringfügig nach, ebenso wie das Verbrauchervertrauen. Kräftigere Einbußen verzeichnete die EU-Kommission bei den Indikatoren für Handel, Bau und Industrie.

Einen weiteren Beleg für die deutlich eingetrübte Stimmung der Euro-Industrie lieferte gestern auch der endgültige Einkaufsmanagerindex (PMI) – das monatlich von S&P Global erhobene Barometer fiel im April um 1,0 auf 55,5 Zähler und damit den niedrigsten Stand seit 15 Monaten. In der Erstschätzung waren hingegen nur 55,3 Zähler ermittelt worden. „Der Eurozone-Industrie stehen schwere Zeiten bevor mit sinkender Produktion und steigenden Preisen“, mahnte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei S&P Global. Die Produktion sei nahezu zum Erliegen gekommen, das Auftragsplus verhalten ausgefallen, während der Lieferdruck wegen Corona-Restriktionen in China und dem Ukraine-Krieg hoch geblieben sei. Zugleich habe sich der Anstieg der Einkaufspreise beschleunigt wegen der „rasanten Verteuerung von Kraftstoffen und Energie“, die Verkaufspreise seien daher „mit neuer Rekordrate angehoben“ worden.

Aber nicht nur in der Industrie, auch bei Handel, Bau und Dienstleistern steigen die Verkaufspreiserwartungen – die EU-Kommission berichtet mit Blick auf die kommenden drei Monate für die vier Wirtschaftszweige von „nie dagewesenen Niveaus“. Die Preiserwartungen der Verbraucher für die nächsten zwölf Monate hingegen haben etwas nachgegeben, nachdem sie im März auf ein Allzeithoch geklettert waren. Unverändert schätzten die Verbraucher hingegen ihre Beschäftigungsaussichten ein. in Handel, Bau, Industrie und bei den Dienstleistern jedoch fallen die Beschäftigungserwartungen zurückhaltender aus: Der Employment Expectations Indicator (EEG), in dem die Einschätzung der Verbraucher nicht berücksichtigt wird, ist um 1,1 auf 112,4 Punkte gefallen. Auch mit Blick auf ihre Investitionen bleiben die Befragten eher zurückhaltend. in der halbjährlichen Erhebung der EU-Kommission planen 24% des verarbeitenden Gewerbes, in diesem Jahr mehr zu investieren als 2021. in der vorherigen Erhebung waren es 26%. Bei den Dienstleistern stieg der Anteil der Investitionswilligen von 19% auf 22%. Kaum Veränderungen gab es bei der vierteljährlichen Abfrage in der Industrie: die Kapazitätsauslastung blieb hoch bei 82,6%, Material- und Ausrüstungsmängel als Produktionshemmnis waren erneut so stark wie nie, wobei der Fachkräftemangel die Lage zusätzlich verschärft.

Unter den größten Euro-Volkswirtschaften stemmte sich einzig Italien gegen die Stimmungseintrübung. Den stärksten ESI-Rückgang verzeichnete Spanien.

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