Talfahrt der Euro-Industrie verlangsamt sich
ast Frankfurt
Die Industrieunternehmen in Euroland erwarten eine Rezession, allerdings nur eine moderate. Die Stimmung in der Industrie verbesserte sich laut Umfrage zum Ende des abgelaufenen Jahres weiter. Im Vergleich zum Vormonat stieg der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie von S&P Global (früher IHS Markit) um 0,7 auf 47,8 Punkte, ein Dreimonatshoch. Die Analysten bestätigten damit eine erste Schätzung. Zwar liegt der Stimmungsindikator den sechsten Monat unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Zählern und signalisiert damit eine nachlassende Wirtschaftsleistung, er stieg aber bereits den zweiten Monat in Folge.
Chris Williamson, Chefökonom bei S&P, rechnet damit, dass sich der optimistischere Ausblick mittelfristig halten wird: „Erstmals seit August übertraf die Anzahl der Unternehmen, die optimistisch auf die Geschäftsentwicklung der nächsten zwölf Monate blickt, die Anzahl der Pessimisten, was auf eine kontinuierliche Verbesserung des Geschäftsklimas hindeutet.“
Grund für die positive Stimmungsentwicklung im Euroraum sind Williamson zufolge der deutlich nachlassende Inflationsdruck und die Stabilisierung der zuletzt auch durch die Pandemie und Lockdowns etwa in China geschwächten Lieferketten. Zudem habe sich die „Besorgnis hinsichtlich einer Energiekrise in der Region – auch dank staatlicher Hilfen – gelegt“, so der Chefökonom. „Der Gegenwind, mit dem die Unternehmen in Bezug auf Lieferketten und Inflation bisher zu kämpfen hatten, hat sich genauso abgeschwächt wie der noch im Herbst vorherrschende Alarmzustand.“
Weniger Aufträge
Williamson verwies darauf, dass sich der Produktionsrückgang in den Industrieunternehmen weiter abgeschwächt habe. Dies habe den angeschlagenen Sektor zum Jahreswechsel „etwas aufatmen“ lassen. Der Chefvolkswirt sprach aber auch von einer anhaltenden Nachfrageschwäche, „was darauf hindeutet, dass die Industrieunternehmen ihre Fertigung in den kommenden Monaten weiter stark drosseln müssen“. Die anhaltende Nachfrageflaute sorge für Auftragseinbußen, weshalb sich viele Firmen auf den Abbau der Auftragsbestände konzentrierten.
Die Stimmungsaufhellung fußt den Daten zufolge auf einem stabilen Fundament: Sämtliche von der Umfrage erfassten Länder, die zusammen rund 89% des Industriesektors der Eurozone ausmachen, verzeichneten im Dezember zwar Geschäftseinbußen. Abgesehen von Griechenland, wo sich der Abwärtstrend beschleunigte, verlangsamte sich die Talfahrt jedoch in allen Ländern.
Die Unsicherheit in der Wirtschaft bleibt mit Blick auf das eben begonnene Jahr 2023 jedoch groß. Zwar dürfte sich der Inflationsdruck infolge der Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter abschwächen. Auch die Lieferkettenproblematik dürfte sich infolge der geänderten Corona-Politik in China weiter entspannen.
Allerdings, so Williamson, bleiben „Rohstoffpreise sowie die Möglichkeit drastischer Veränderungen der Energiepreise angesichts der geopolitischen Lage ganz oben auf der Liste der Themen“, die Unternehmer im Auge behalten sollten. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine bleibe zudem „die größte Bedrohung für die Stabilität in der Region“, so der S&P-Ökonom.