Großbritannien

Teuerung lässt Inflationsziel hinter sich

Steigende Ölpreise und die Wiedereröffnung der Wirtschaft haben die Teuerungsrate im Mai stärker steigen lassen als erwartet. Entscheidend wird sein, wie viel davon vorübergehender Natur ist.

Teuerung lässt Inflationsziel hinter sich

hip London

Die britische Teuerungsrate hat im Mai das von der Bank of England auf 2,0% festgelegte Inflationsziel übertroffen. Wie das Statistikamt ONS mitteilt, legte der Preisauftrieb von 1,5% auf 2,1% zu. Volkswirte hatten im Schnitt 30 Ba­sispunkte weniger auf der Rechnung. Auch die Bank of England hatte lediglich 1,8% angesetzt. Die Kernrate stieg noch deutlicher – von 1,3% auf 2,0%. Höhere Kraftstoffpreise und steigende Preise für Kleidung sowie außer Haus konsumierte Speisen und Getränke waren neben Computerspielen und Musikdownloads Treiber der Entwicklung.

Für die Bank of England, deren geldpolitisches Komitee in der kommenden Woche zusammentritt, wird es darum gehen, welche Preistreiber vorübergehender Natur sind. Die Preise für Computerspiele sind sehr volatil. Doch die steigenden Preise für Kleidung und Gaststättenbesuche zeugen davon, dass mit der Wiedereröffnung des britischen Einzelhandels und Gastgewerbes auch die Nachfrage wieder anzieht. Dem stehen mancherorts noch Angebotsbeschränkungen gegenüber, etwa wenn es darum geht, wie vielen Gästen ein Restaurant Einlass gewähren darf. Dem ONS zufolge gab es weniger Rabattaktionen im Textileinzelhandel. Andy Haldane, der scheidende Chefvolkswirt der Bank of England hatte Ende Mai davor gewarnt, dass die Notenbank eine Situation „wie die Pest vermeiden“ müsse, „in der sich die Inflationserwartungen anpassen, bevor wir das tun, oder eine, in der wir auf Beweise dafür warten, dass Inflationseffekte nicht vorübergehender Natur sind, bevor wir handeln“ (vgl. BZ vom 25. Mai). Denn in beiden Fällen würde die Zentralpolitik zu spät zu wenig tun.

Volkswirte rechnen zwar damit, dass die Auswirkungen der höheren Energiepreise und die Volatilität rund um die Wiedereröffnung auch wieder abklingen werden. „Aber wir glauben nicht, dass das sofort geschehen wird“, heißt es in einer Einschätzung der Bank of America. Deshalb sei in den kommenden Monaten mit einer weiteren Aufwärtsentwicklung des Preisauftriebs zu rechnen. So sieht es auch Paul Dales, Chefvolkswirt UK bei Capital Economics. „Alles in allem sind wir ziemlich zuversichtlich, dass die Inflation in Großbritannien nicht auf so hohe Werte steigen wird wie in den Vereinigten Staaten.“

Unterdessen forderte eine von Premierminister Boris Johnson gebildete „Taskforce für Innovationen, Wachstum und aufsichtsrechtliche Reformen“, das Vorsorgeprinzip durch ein britisches „Prinzip der Proportionalität“ zu ersetzen. Das bis zum Brexit zusammen mit dem EU-Recht übernommene Vorsorgeprinzip dient dazu, durch Innovationen wie etwa die Gentechnologie entstehende Risiken für die öffentliche Gesundheit, Lebensmittelsicherheit und Umwelt zu vermeiden.