„Überfällige“ Ceta-Ratifizierung sorgt für Erleichterung
rec Frankfurt
In der deutschen Industrie macht sich Erleichterung über die Ratifizierung des Ceta-Abkommens der Europäischen Union mit Kanada breit. Nach einer jahrelangen Hängepartie hat der Bundestag am Donnerstag das transatlantische Freihandelsabkommen ratifiziert. „Endlich“, atmen Dirk Jandura vom Außenhandelsverband BGA und Ulrich Ackermann vom Maschinenbauverband VDMA auf. Der Chef des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, nennt den Schritt „überfällig“. Wortgleich äußert sich der Sozialdemokrat Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europarlament.
Der bilaterale Handel mit Kanada ist zwar rein vom Volumen her eher nachrangig: Zuletzt stand Kanada mit Blick auf die Handelsumfänge auf Platz 31 der deutschen Handelspartner, Tendenz steigend (siehe Grafik). Doch Ceta wird große symbolische Bedeutung beigemessen, nachdem die Verhandlungen über ein großangelegtes Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten (TTIP) 2016 scheiterten. Kanada wird zudem für Deutschland und die EU immer bedeutsamer, weil das Land bei Technologien für die Energiewende als wertvoller und zugleich verlässlicher und politisch gleichgesinnter Handelspartner gilt.
Von der Zustimmung Deutschland könnte Signalwirkung für andere EU-Staaten ausgehen, die mit der Ratifizierung ebenfalls zögern. Denn mehrere Länder haben das Abkommen ebenfalls noch nicht ratifiziert. Es ist deshalb seit 2017 lediglich vorläufig in Kraft. Seitdem sind beispielsweise fast alle Zölle im Handel mit Kanada gefallen. „Für europäische Unternehmen fallen damit pro Jahr rund 500 Mill. Euro an Zollgebühren weg“, rechnet Volker Treier vor, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Ceta findet aber nicht in sämtlichen Bereichen Anwendung, solange die EU-Staaten es nicht vollständig ratifiziert haben.
Ärger um Investitionsschutz
Die Bundesregierung hatte auf EU-Ebene auf Nachbesserungen hingewirkt, vor allem im Bereich Investitionsschutz. Aus der Ampel-Koalition hatten hier insbesondere die Grünen Vorbehalte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwies im Sender ntv auf entsprechende Nachverhandlungen mit der EU-Kommission: „Wichtig war, hier noch mal Klarheit zu bekommen, dass der Investitionsschutz bei Ceta nicht gegen Klimaschutz ausgespielt werden kann.“ Der Plan, den Schutz von Investoren an private Schiedsgerichte auszulagern, war einer der Hauptgründe für das Scheitern von TTIP.
Wirtschaftsvertreter dringen nun auf weitere Erleichterungen für die deutsche Wirtschaft im weltweiten Handel. Sie nutzen die Ratifizierung durch den Bundestag aber auch zu kaum verhohlener Kritik an der aus ihrer Sicht schleppenden Handelspolitik. „Durch die zu lange vorherrschende Zögerlichkeit haben Deutschland und Europa leichtsinnig handelspolitische Glaubwürdigkeit und Reputation verspielt“, bemängelt BGA-Chef Jandura. Ceta sei eine Erfolgsgeschichte, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU).
SPD-Handelspolitiker Lange sieht das genauso. Das Freihandelsabkommen biete „erhebliche“ Vorteile, gerade für KMU. Mit Blick auf die Energiewende sei der bessere Marktzugang in Kanada mit seinen reichen Rohstoffvorkommen bei Nickel und Kobalt besonders wichtig. Außerdem seien verbreitete Bedenken in Sachen Investitionsschutz nun ausgeräumt. Lange hofft nun, „dass andere EU-Staaten dem Beispiel Deutschlands folgen und ebenfalls ihren Ratifizierungsprozess einleiten“. Dann könne Ceta für die EU sein volles Potenzial entfalten.
Wirtschaftsvertreter dringen nun auf weitere Schritte in der Handelspolitik mit dem Ziel, die Lieferketten deutscher Unternehmen zu verbreitern. Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), bringt die Ratifizierung des Mercosur-Handelsabkommens mit Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern zurück auf die Tagesordnung. Auch dieses Abkommen ist fertig ausgehandelt, liegt aber wegen Klimaschutzbedenken auf Eis. Im Fokus der Politik in Berlin und Brüssel ist derzeit aber vor allem ein sich abzeichnender Konflikt mit den USA über Subventionen. Eine hochrangige Delegation der EU reist deshalb in der kommenden Woche zu Gesprächen nach Washington.