Brexit

Überraschende Entspannung im Nordirland-Streit

Großbritannien hat bis Ende Oktober befristete Ausnahmeregelungen für den innerbritischen Handel einseitig verlängert. Die EU-Kommission will nicht juristisch dagegen vorgehen, solange weiter verhandelt wird.

Überraschende Entspannung im Nordirland-Streit

hip London

Im „Würstchenkrieg“ zwischen London und Brüssel hat sich die Lage überraschend entspannt. Es geht dabei um die Auslegung und Umsetzung des Nordirland-Protokolls des EU-Austrittsvertrags, durch das eine innerbritische Grenze geschaffen wurde. Wie der britische Verhandlungsführer David Frost bestätigte, hat die britische Regierung eine Reihe von befristeten Ausnahmeregelungen auf unbestimmte Zeit verlängert, u. a. für den „Export“ von gekühlten Fleisch- und Wurstwaren nach Ulster. Sie wären sonst zum Monatsende ausgelaufen, ohne dass man sich auf eine Lösung geeinigt hätte.

Die EU-Kommission stimmte der Verlängerung der Gnadenfristen zwar nicht zu, will aber einer Mitteilung vom Montagabend zufolge auch nicht juristisch dagegen vorgehen, solange über die strittigen Themen verhandelt wird. Sie behalte sich jedoch vor, in der Zukunft nötigenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. „Unsere Herangehensweise an das Protokoll basiert darauf, Stabilität, Gewissheit und Vorhersagbarkeit im Einklang mit den Zielen des Karfreitagsabkommens zu erreichen und den gemeinsamen Markt zu schützen“, verlautbarte die Behörde. Frost hatte am Wochenende vor der British-Irish Association deutlich gemacht, dass zu den mit dem Protokoll verbundenen Zielen neben dem Schutz des EU-Binnenmarkts der Erhalt des Karfreitagsabkommens in all seinen Dimensionen gehört – der Zusammenarbeit zwischen Nordirland und der Republik im Süden, die Vermeidung einer harten Grenze, die Respektierung der territorialen Integrität des Vereinigten Königreichs und der Schutz seiner Rolle im britischen Binnenmarkt. Die im Protokoll festgeschriebenen Vereinbarungen zu den innerbritischen Grenzkontrollen seien nicht praktikabel und sorgten beständig für „Ärger und Zwietracht“.

„Haben Sie keine Zweifel daran, wie zentral dieses Problem für unsere Politik und für diese Regierung ist“, sagte Frost. „Das Problem bedarf einer Lösung, und wir sind entschlossen, es zu lösen.“ Aus seiner Sicht gebe es zwei Möglichkeiten: Großbritannien könne Artikel 16 – den Notstandsparagrafen also – in Anspruch nehmen. Die Schwelle dafür sei erreicht. Er würde es allerdings vorziehen, gemäß Artikel 13 (8) Teile des bestehenden Texts durch neue Vereinbarungen zu ersetzen.

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