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Und sie bewegt sich doch

Die Europäische Union steht doppelt unter Druck: Extern werden Partner zu Kontrahenten, intern verliert die EU an politischer Unterstützung. Brüssel reagiert darauf mit einer neuen Gangart - und mit einer neuen Entschlossenheit.

Und sie bewegt sich doch

Und sie bewegt sich doch

Die Europäische Union verliert extern an Partnern und intern an Unterstützung – Brüssel reagiert darauf mit neuer Gangart.

Von Detlef Fechtner, Brüssel

Der frühere BaFin-Chef Jochen Sanio hat einmal gesagt: „Das zu Ende gehende Jahr war doch gar nicht so schlecht, zumindest verglichen mit dem nächsten“. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hätte gute Gründe, sich diesem Ausblick anzuschließen. Denn 2025 dürfte ihr Job eher noch anstrengender werden. Da sind zum einen die absehbaren Konfrontationen mit Partnern in der Welt, die immer mehr zu Konkurrenten und im ungünstigsten Fall zu Gegnern werden – allen voran Donald Trump. Wenn er nach seinem Amtsantritt am 20. Januar seine Drohungen wahr macht und Importzölle gegenüber Europa und den Rest der Welt sowie drastische Einfuhrzölle gegenüber China einführt, stehen der EU nicht nur handelspolitische Probleme ins Haus. Vielmehr dürften dann auch die Spannungen innerhalb der Union eskalieren. Denn es ist absehbar, dass China den EU-Markt mit Waren flutet, die aufgrund der hohen Zölle in den USA nicht mehr verkaufbar sind. Und dann dürften sich Deutsche und Franzosen endgültig in der Frage des Umgangs mit der Volksrepublik kräftig in die Wolle bekommen.

Apropos interne Spannungen: In den nationalen Hauptstädten haben die EU-Gegner im Jahr 2024 mächtig an politischem Einfluss gewonnen – und zwar nicht etwa nur in Osteuropa, sondern auch in EU-Gründerländern wie den Niederlanden, Italien oder Frankreich. Hinzu kommt, dass der notorische Querschläger Viktor Orban nun eventuell in Rumänien mit Calin Georgescu einen Verbündeten für seine subversiven Angriffe auf Kompromisse im Rat erhält.

Ausfall des Tandems

Das könnte die Entscheidungsfähigkeit im Rat umso mehr bremsen, zumal dort die jahrelang wichtigste Triebkraft, nämlich das französisch-deutsche Tandem, wegen der Regierungskrisen in Berlin und Paris auf absehbare Zeit ausfällt. Und auch das EU-Parlament tut sich – obwohl der Rechtsruck bei den Wahlen geringer ausgefallen ist als zuvor von den traditionellen Parteien befürchtet – bislang ziemlich schwer, eine belastbare Koalition der Mitte zu schmieden, um auch in Zukunft die Verabschiedung von Richtlinien und Verordnungen sicherzustellen.

Was also tun, Frau von der Leyen? Zumindest auf dem Papier zeigt die EU-Kommissionspräsidentin Entschlossenheit, zu beweisen, dass die EU imstande ist, auf veränderte Außenbedingungen zu antworten und umzusteuern. In Reaktion auf die vielen geopolitischen Brennpunkte von der Ukraine bis Syrien bemüht sich die EU-Kommission, mehr Mittel für die Stärkung der Resilienz Europas umzuwidmen. Und in Reaktion auf die anhaltende Wachstumsschwäche der europäischen Wirtschaft hat die EU-Behörde das Kriterium der „Wettbewerbsfähigkeit“ ins Zentrum aller regulatorischen Initiativen gerückt. Um zu dokumentieren, dass es ihr Ernst ist, will die EU-Kommission innerhalb ihrer ersten 100 Tage ein Ausrufezeichen setzen. Ende Februar plant die EU-Kommission ein „Omnibus“-Paket. Dieser Vorstoß hat als Ziel, die so oft von der Industrie beklagten nicht-finanziellen Berichtspflichten zu reduzieren. Ohnehin hat von der Leyen die Losung ausgegeben, dass die Berichtspflichten der Unternehmen insgesamt um 25% verringert werden sollen.

Nur schöne Worte?

Also alles auf Kurs? Gemach, bisher sind (fast) alles nur schöne Worte. Mit Blick etwa auf das Omnibus-Paket Ende Februar gibt es bereits jetzt jede Menge Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen, etwa der Konzentration auf drei Gesetze. Zudem wird an die vielen gescheiterten Versuche der Vergangenheit erinnert, Bürokratie abzubauen – etwa das weitgehend folgenlose Engagement des ehemaligen Anti-Bürokratie-Beauftragten Edmund Stoibers.

Immerhin, einen Hoffnungswert für eine neue Gangart und Entschlossenheit Brüssels gibt es. Von der Leyen hat sich nämlich nicht von den Einwänden aus Frankreich abhalten lassen, ein Handelsabkommen mit dem Mercosur zu unterzeichnen. Ein starkes Zeichen, um die Abhängigkeiten im Außenhandel von den USA und China zu mindern und für Europas Firmen neue Märkte zu öffnen. Wobei natürlich auch hier gilt: Das Ding ist noch nicht durch, die EU-Staaten können es noch stoppen. Aber wie gesagt: Niemand hat von der Leyen versprochen, dass 2025 vergnügungssteuerpflichtig wird.


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