Unversöhnlicher Jahrestag der Belarus-Krise
ahe/dpa-afx Brüssel
Genau ein Jahr nach seiner umstrittenen Wiederwahl hat der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko dem Westen erneut mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollten weitere Sanktionen gegen sein Land verhängt werden. „Wir erpressen niemanden, wir bedrohen niemanden“, sagte Lukaschenko bei einem im Staatsfernsehen übertragenen Gespräch mit Journalisten und handverlesenen Bürgern. Er betonte zugleich: „Sie bringen uns in eine solche Situation, dass wir reagieren müssen. Und wir reagieren.“
Die EU wirft dem belarussischen Machthaber zurzeit unter anderem vor, gezielt Migranten über die EU-Grenze nach Litauen zu schleusen – als Vergeltung für die bereits in den vergangenen Wochen beschlossenen Sanktionen gegen sein Land. Mehr als 2000 Flüchtlinge unter anderem aus dem Irak sollen so bereits in die EU gekommen sein.
Litauen befürchtet einen möglichen weiteren drastischen Anstieg der Flüchtlingszahlen in diesem und im kommenden Monat. Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft hat für den 18. August bereits eine Sondersitzung der Innenminister anberaumt. Die EU sei einer ernsten Sicherheitsbedrohung ausgesetzt und werde Zeuge, wie Belarus illegale Migration als Waffe einsetze, sagte ein Sprecher.
Der Irak erklärte sich am Montag unterdessen bereit, Hunderte Migranten zurückzuholen, die derzeit an der Grenze zwischen Belarus und Litauen gestrandet sind. Insgesamt wolle das Land bis Dienstag 280 Staatsbürger aus Minsk ausfliegen lassen, kündigte ein Sprecher des Außenministeriums an.
Die Sanktionsspirale des Westens drehte sich auch zum Jahrestag der mutmaßlich massiv gefälschten Präsidentschaftswahlen weiter: Großbritannien weitete die Sanktionen noch einmal aus. „Das Lukaschenko-Regime zerschmettert weiterhin die Demokratie und verletzt die Menschenrechte in Belarus“, sagte Außenminister Dominic Raab am Montag. Londons neue Maßnahmen zielen unter anderem auf die wichtige Kaliindustrie sowie Ölprodukte. Belarussische Flugzeuge dürfen Großbritannien nicht überfliegen und britische Firmen die Jets, die von Lukaschenko und dessen Vertrauten genutzt werden, nicht warten. Hinzu kommen finanzielle Maßnahmen wie ein Kreditverbot.
Auch die USA planen neue Sanktionen. Präsident Joe Biden will nach Angaben eines Präsidialamtsvertreters eine entsprechende Verordnung unterzeichnen. Dazu gehörten die bislang weitreichendsten Strafmaßnahmen des US-Finanzministeriums gegen belarussische Personen und Organisationen, unter anderem gegen das Olympische Komitee.
Die Bundesregierung bekräftigte am Montag die Forderung nach einem sofortigen Ende der Repressionen, der Aufnahme eines offenen Dialogs und nach freien und fairen Wahlen. „Massive Repressionen, Inhaftierungen, Entführungen, Folter und Angst sind an der Tagesordnung“, kritisierte eine Regierungssprecherin. „Dies sind die Instrumente, mit denen sich das Lukaschenko-Regime an der Macht hält.“