Konjunktur

US-Arbeitsmarkt boomt wieder

Der US-Arbeitsmarkt steht unter Dampf. Seit Juni wurden fast 2 Millionen neue Stellen geschaffen, auch zogen die Löhne kräftig an. Eine heftige Debatte um den weiteren Kurs der Geldpolitik ist jedenfalls programmiert.

US-Arbeitsmarkt boomt wieder

det Washington

Der Aufschwung am US-Arbeitsmarkt hat im Juli kräftig an Schwung gewonnen, was die Debatte über eine baldige Abkehr von der sehr lockeren Geldpolitik anheizen dürfte. Sowohl am Stellenwachstum als auch an der Erwerbslosenquote gemessen übertrafen die Zahlen aus dem offiziellen Arbeitsmarktbericht die Markterwartungen deutlich. Wie das Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums berichtete, entstanden außerhalb der Landwirtschaft 943000 neue Stellen, die stärkste Zunahme seit August vergangenen Jahres. Dabei hatten Bankvolkswirte einen Wert knapp über 850000 vorausgesagt. Für eine positive Überraschung sorgte auch der Rückgang der Arbeitslosenquote von 5,9 auf 5,4%. Ökonomen hatten mit einer Quote um 5,7% gerechnet.

Der Bericht überzeugte auf ganzer Linie und wird insbesondere jene Gouverneure der US-Notenbank Fed, die für eine baldige Straffung der Geldpolitik plädieren, in ihrer Ansicht bestärken, dass die Notenbank allmählich mit dem Abschmelzen der Anleihekäufe beginnen sollte. So bestätigen nämlich die revidierten Zahlen vom Juni, dass der Stellenaufbau sich bereits zu Beginn des Sommers stärker beschleunigt hat als bisher angenommen. Laut BLS entstanden im Juni 938000 neue Arbeitsplätze, die erste Schätzung hatte bei 850000 Neueinstellungen gelegen. Die Partizipationsrate im Juli betrug 61,7% und erreichte damit den höchsten Stand seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie.

Positiv heben Experten auch hervor, dass jene Branchen, die unter der Gesundheitskrise am stärksten gelitten hatten, die größten Nutznießer des Aufschwungs sind. Im Gast- und Freizeitgewerbe haben Firmen 380000 neue Mitarbeiter eingestellt. Weiter bergauf ging es auch im Bildungssektor, wo über 260000 Jobs hinzugekommen sind. Ein Stellenaufbau wurde zudem bei Fachdienstleistern, in der Transportwirtschaft, dem Gesundheitswesen und im verarbeitenden Gewerbe gemessen.

Obwohl Experten den Bericht begrüßten, wiesen einige darauf hin, dass noch ein relativ weiter Weg zurückgelegt werden müsse, ehe jene „signifikanten Fortschritte“ realisiert sind, die Notenbankchef Jerome Powell als Voraussetzung für eine Straffung der Geldpolitik erachtet. Wiederholt hat Powell den Vergleich zum Vorkrisenniveau gezogen, das es wieder zu erreichen gelte. Das BLS weist auch ausdrücklich darauf hin, dass im Februar 2020, also direkt vor Ausbruch der Pandemie, 3 Millionen mehr Menschen in den USA als heute beschäftigt waren und die Erwerbslosenquote 3,5% betragen hatte.

Ryan Detrick, Marktstratege beim Investmentunternehmen LPL Financial, sagte: „Der Arbeitsmarktbericht unterstreicht die Resistenz der US-Wirt­schaft und liefert ein deutliches Signal dafür, dass sich die Erholung am Arbeitsmarkt fortsetzen wird.“ Das Entscheidende an den Zahlen sei aber, „dass sie noch nicht stark genug sind, um der Fed als Anlass für eine Anpassung ihres Kurses zu dienen“, sagte Detrick. Nicht alle Analysten teilen dessen Optimismus über die weitere Entwicklung. Wie Constance Hunter, Chefvolkswirtin bei der Unternehmensberatung KPMG, feststellte, werde die grassierende Delta-Variante des Coronavirus für anhaltende Unsicherheit sorgen. „Diese könnte auch dem Arbeitsmarkt im August und September einen Dämpfer verpassen“, erwartet Hunter.

So oder so wird die Debatte über den weiteren geldpolitischen Kurs der Fed nun Auftrieb erhalten. Schließlich zogen laut BLS die durchschnittlichen Stundenlöhne im Juli im Vorjahresvergleich um 4,0% an. Angesichts der akuten Arbeitskräfteknappheit in vielen Branchen ist damit zu rechnen, dass die Löhne weiter steigen. Angesichts der robusten Erholung am Arbeitsmarkt, des zunehmenden Lohndrucks und steigenden Inflation haben sich mehrere Währungshüter zuletzt für eine Straffung der Geldpolitik ausgesprochen. Dazu zählen der stellvertretende Fed-Vorsitzende Richard Clarida und Robert Kaplan, Präsident des Fed-Ablegers in Dallas. Clarida sagte, wenn die Erholung sich fortsetze, sollte der Offenmarktausschuss der Fed noch dieses Jahr einen Zeitplan für die Reduktion der Anleihekäufe ankündigen.

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