Quartalsbericht

US-Arbeitsmarkt büßt Schwung ein

Mit Spannung fiebern Finanzmarktteilnehmer dem offiziellen US-Arbeitsmarktbericht am Freitag entgegen. Zahlen des privaten Dienstleisters ADP zeigen: Sorgen über mehr Corona-Erkrankungen machen sich am Arbeitsmarkt bemerkbar. Die Schulden privater Haushalte sind derweil auf ein Rekordhoch gestiegen.

US-Arbeitsmarkt büßt Schwung ein

det Washington

Der US-Arbeitsmarkt hat nach einer kräftigen Erholung im zweiten Quartal an Schwung verloren. Wie der Arbeitsmarktdienstleister Automatic Data Processing (ADP) berichtete, entstanden im Juli im Privatsektor ohne Berücksichtigung der Landwirtschaft nur 330000 neue Jobs. Erwartet hatten Bankvolkswirte eine Zunahme um 650000. Im Juni waren 680000 Stellen geschaffen worden. Gestützt wurde der Beschäftigungsaufbau vom Gast- und Freizeitgewerbe, wo es zu 139000 Neueinstellungen kam.

Die Zahlen sind ein schlechtes Omen für den offiziellen Arbeitsmarktbericht, den das Arbeitsministerium am Freitag veröffentlicht. Nach Ansicht von Ökonomen zeichnen die Zahlen ein gemischtes Bild der weiterhin volatilen Arbeitsmarktlage. „Die Fortschritte beim Stellenwachstum sind ausgesprochen uneben, aber immerhin geht es bergauf“, sagte Nela Richardson, Chefvolkswirtin bei ADP. Auffallend sei, dass sich der Aufschwung gegenüber dem zweiten Quartal, als im Monatsschnitt mehr als 700000 neue Jobs geschaffen wurden, „deutlich verlangsamt hat“, so Richardson.

Bedenklich finden Experten vor allem die Tatsache, dass der Stellenaufbau in der Industrie deutlich hinterherhinkt. So entfielen nur 12000 Arbeitsplätze auf das verarbeitende Gewerbe. Dafür stellten Dienstleister 318000 Mitarbeiter ein. Neben dem Gast- und Freizeitgewerbe wurde vor allem im Gesundheits- und Bildungswesen sowie bei Fachdienstleistern ein kräftiges Plus gemessen. Der Aufschwung im Dienstleistungssektor wird auch von dem Anstieg des einschlägigen Einkaufsmanagerindex des Institute for Supply Management (ISM) unterstrichen. Dieser stieg im Juli um 4 Prozentpunkte auf 64,1%, den höchsten je gemessenen Wert (siehe Text unten auf dieser Seite).

Immobilienkredite boomen

Über die weiteren Aussichten für den Arbeitsmarkt herrscht nach Ansicht von Experten vor allem deswegen Ungewissheit, weil unklar bleibt, welche Folgen die sich ausbreitende Delta-Variante des Coronavirus entfalten wird. Gleichwohl bleibt Richardson optimistisch, dass das Stellenwachstum wieder zulegen wird, „sobald Engpässe im Zusammenhang mit neuen Sorgen um das Coronavirus überwunden sind“.

Vor der Veröffentlichung der ADP-Zahlen wurde mit Blick auf den Arbeitsmarktbericht am Freitag erwartet, dass im Juli außerhalb des Agrarsektors etwa 900000 neue Stellen geschaffen wurden und die Erwerbslosenquote von 5,9% auf 5,7% zurückgegangen ist. Die US-Notenbank Fed hat signalisiert, dass eine Straffung der Geldpolitik neben der steigenden Inflation auch erkennbare Fortschritte am Arbeitsmarkt voraussetzt, die laut Fed-Chef Jerome Powell „noch ein ganzes Stück entfernt“ sind. Powell betrachtet eine Arbeitslosenquote von 3,5%, die zuletzt im Februar 2020 erreicht wurde, als Vollbeschäftigung. Er betonte aber auch, dass andere Faktoren wie die Partizipationsrate sowie demografische Kriterien eine Rolle spielen würden.

Ein weiterer Faktor, der neben der unsteten Erholung am Arbeitsmarkt auf der US-Wirtschaft lastet, sind wachsende Schulden privater Haushalte. Wie die Federal Reserve Bank von New York berichtete, kletterten die Schulden im zweiten Quartal um 313 Mrd. auf fast 15 Bill. Dollar. Ein so starker Anstieg war zuletzt vor 14 Jahren gemessen worden. Während des damaligen Booms am Häusermarkt hatten die Hypothekenkredite einen Rekordstand erreicht (siehe Grafik). Dieser Rekord ist mit einem Zuwachs von 4,6 Bill. Dollar an Immobiliendarlehen binnen zwölf Monaten gebrochen. Immobilienkredite machen mehr als zwei Drittel aller Privatschulden aus. Joelle Scally, Finanzanalystin bei der New Yorker Fed, warnt vor damit verbundenen Risiken. „Bei 2 Millionen der Kreditnehmer wurden die Schulden als Folge der Corona-Epidemie gestundet.“ Sobald die staatlich gestützten Hilfsmaßnahmen auslaufen, „könnten diese Eigenheimbesitzer in finanzielle Not geraten“.

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