Verbraucher nehmen den Gang raus
Verbraucher nehmen im Juni plötzlich den Gang raus
GfK-Konsumklima sinkt – Sparneigung legt auf hohem Niveau zu – Frühbarometer zeigen nachlassenden Rückenwind vom Jobmarkt
ba Frankfurt
Die deutschen Verbraucher zeigen sich zur Jahresmitte hin wieder etwas reservierter: Statt zu konsumieren, wird mehr gespart. Die GfK-Konsumklimastudie für Juni zeigt, dass die Erholung der Verbraucherstimmung nach vier Monaten vorerst zum Stillstand gekommen ist. Während die Erwartungen an das eigene Einkommen, aber auch an die konjunkturelle Entwicklung geringer als im Vormonat ausfallen, stagniert die Anschaffungsneigung auf einem sehr niedrigen Niveau.
Mühsamer Weg
Das Konsumklima für Juli prognostizieren die Nürnberger Forscher mit −21,8 Punkten, das sind 0,8 weniger als im Juni. Ökonomen hatten mit einer erneuten Stimmungsaufhellung auf −20,0 Zähler gerechnet − nicht zuletzt wegen etwaiger Impulse von der derzeit laufenden Fußball-EM. „Die Unterbrechung des zuletzt verzeichneten Aufwärtstrends des Konsumklimas zeigt, dass der Weg aus der Konsumflaute mühsam werden wird und es immer wieder zu Rückschlägen kommen kann“, erklärte Rolf Bürkl, Konsumexperte beim NIM, das das Konsumklima zusammen mit der GfK erhebt.
„Die im Mai wieder etwas höhere Inflationsrate sorgt für mehr Verunsicherung bei den Konsumenten, die auch im Anstieg der Sparneigung zum Ausdruck kommt.“ Die Sparneigung legte um 3,2 auf 8,2 Punkte zu. Neben den realen Einkommenszuwächsen müssten die Haushalte wieder mehr Planungssicherheit und klare Zukunftsperspektiven bekommen, damit sich die Konsumstimmung nachhaltig erholen könne, mahnt Bürkl. Dazu gehöre auch, „dass von der Regierung zügig und klar kommuniziert wird, was auf sie als Folge der anstehenden Haushaltsberatungen an Be- und Entlastungen zukommen wird“.
Rückenwind vom Jobmarkt lässt nach
Ursächlich für den Einkommenspessimismus – das entsprechende Erwartungsbarometer gab nach zuletzt vier Anstiegen in Folge um 4,3 auf 8,2 Punkte nach – ist Bürkl zufolge der Anstieg der Inflationsrate im Mai auf 2,4% nach je 2,2% im März und April. Gut 62% der Befragten hätten in einer offenen Abfrage derart geantwortet. Eine Rolle könnte auch der nachlassende Rückenwind vom Jobmarkt spielen: Die Firmen wollen weniger Personal einstellen.
Das Ifo-Beschäftigungsbarometer sank im Juni um 0,4 auf 95,9 Punkte. „Auftragsmangel hält viele Unternehmen davon ab, Personal aufzubauen“, erklärte dazu Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Am ehesten stellen noch die Dienstleister ein.“ Das IAB-Arbeitsmarktbarometer stieg im Juni nach dem Rückschlag vom Vormonat um 0,1 auf 100 Punkte und liegt damit im neutralen Bereich. „Die Beschäftigung steigt weiter, das ist bemerkenswert“, erklärte IAB-Experte Enzo Weber zum Rückgang der Beschäftigungskomponente um 0,3 auf 102,3 Zähler. „Mehr als Kurshalten ist aber nicht zu erwarten“, mahnte er zugleich. Eine Trendwende hin zum Abbau der gestiegenen Arbeitslosigkeit sei trotz des Anstiegs des entsprechenden Teilindikators um 0,6 auf 97,7 Punkte noch nicht in Sicht. Ökonomen erwarten, dass die Arbeitslosenquote im Juni von 5,9% auf 6,0% gestiegen ist. Die Bundesagentur für Arbeit berichtet diesen Freitag über den Jobmarkt im Juni.
Auch Europas Arbeitsmärkte zeigen sich laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stabil. Das European Labour Market Barometer machte im Juni ebenfalls einen Teil des Einbruchs vom Vormonat wieder gut und liegt mit 100,1 Punkten im gerade noch positiven Bereich. Mehr als eine stabile Entwicklung würden die befragten europäischen Arbeitsmarktservices im Moment aber nicht sehen, betonte Weber. Überdurchschnittlich positiv seien dabei die Erwartungen in Osteuropa.
Inflation bremst immer noch
Die steigenden Preise sorgten zugleich dafür, dass die Anschaffungsneigung seit mehr als zwei Jahren auf einem überaus niedrigen Niveau verharrt. „Wenn die privaten Haushalte mehr für Nahrungsmittel und Energie aufwenden müssen, fehlen die finanziellen Mittel für größere Anschaffungen“, erklärte Bürkl. Zudem sorge die fehlende Planungssicherheit dafür, dass eher Rücklagen für Notfälle oder Ähnliches gebildet werden, die für den Konsum damit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. Mit Blick auf die Konjunktur zeigen sich die Verbraucher ebenfalls zugeknöpfter als zuletzt. Auch das aktuelle DIW-Konjunkturbarometer zeugt von einer nur verhaltenen Erholung.
Die Verbraucher rechnen mit einer – wenn auch eher schwachen – Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte. Der Konjunkturindikator hat gleichfalls nach vier Anstiegen in Folge im Juni nachgegeben, und zwar um 7,3 auf 2,5 Zähler.
Das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) legte im Juni um 6,4 auf 92,5 Punkte zu. „Damit hat es den Rückschlag vom Mai weggesteckt, als der Barometerwert nach mehreren Anstiegen in Folge einbrach“, betonte das DIW. Von der neutralen 100-Punkte-Marke, die für ein durchschnittliches Wachstum der deutschen Wirtschaft steht, sei es aber nach wie vor ein gutes Stück entfernt. „Die verhaltene Erholung der deutschen Wirtschaft, die wir seit Jahresbeginn beobachten, dürfte sich nun aber immerhin Stück für Stück fortsetzen und an Fahrt gewinnen“, erwartet DIW-Expertin Geraldine Dany-Knedlik. Positiv wirke sich die anziehende Binnennachfrage aus, die durch die niedrigere Inflation und die höheren Löhne angeschoben wird sowie die Anfang Juni eingeleitete Zinswende der EZB.
Der Industrie bescheinigt das DIW weiter nur verhaltene Aussichten, wenngleich die Talsohle wohl durchschritten sei. Bis sich die sinkenden Zinsen und der behutsame Aufschwung der Weltwirtschaft in merklichen Zuwächsen bei der Industrieproduktion niederschlagen, dürfte es noch etwas dauern. Bei den Dienstleistern hingegen gebe es leichte Anzeichen für eine weitere Erholung. „Die deutsche Wirtschaft dürfte nach der Energiekrise und dem Inflationsschub der letzten zwei Jahre zwar das Gröbste überstanden haben, Euphorie ist aber noch nicht ausgebrochen“, sagte DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi. Ein neues Risiko seien dabei die kurzfristig anberaumten Wahlen in Frankreich, die die künftige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa unberechenbarer machen könnten.