Vorbehalte gegen Subventionswettlauf mit den USA
rec/ahe/ms Brüssel/Frankfurt
Wirtschaftsvertreter und Ökonomen sorgen sich immer mehr vor einem Subventionswettlauf zwischen der EU und den USA. Ifo-Chef Clemens Fuest rät von einem weiteren Subventionsprogramm für die grüne Transformation ab, wie es offenkundig EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorschwebt. Der Kieler Außenwirtschaftsexperte Holger Görg rechnet mit ihren Bestrebungen regelrecht ab. Auch der Industrieverband DIHK spricht sich mit Nachdruck dagegen aus, „in einen Überbietungswettbewerb von Subventionen einzusteigen“. Finanzminister Christian Lindner wiederum erteilt neuen EU-Schulden eine Absage.
Die Kontroverse spielt sich vor dem Hintergrund hochrangiger Handelsgespräche in den USA ab. Die Kommissionsvizechefs Valdis Dombrovskis und Margrethe Vestager sind dafür nach Maryland gereist. Im Zentrum der Gespräche stehen Förderprogramme der USA für die dortige Industrie. Wirtschaft und Politik in Europa fürchten Nachteile für hiesige Unternehmen. Diese Bedenken hat Kommissionschefin von der Leyen in einer viel beachteten Rede am Sonntag in Brüssel aufgegriffen und einen ähnlich gelagerten Kurswechsel in der europäischen Industriepolitik gefordert. Zu diesem Zweck macht sie sich auch für neue Geldtöpfe auf EU-Ebene stark.
Von der Leyens Äußerungen rufen Skepsis und Ablehnung hervor. Lindner betonte am Montag, ein „Souveränitätsfonds“ dürfe nicht ein neuer Anlauf für eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme sein. Dafür gebe es keinen Anlass, und zusätzliche europäische Schulden seien auch ökonomisch nicht vorteilhaft, sagte Lindner im Vorfeld des Finanzministertreffens der Eurogruppe in Brüssel. Mehr Flexibilität, Agilität und Tempo im Bereich der Wirtschaftshilfen und Beihilferegelungen seien dagegen grundsätzlich zu begrüßen.
Führende deutsche Ökonomen äußern sich grundsätzlich kritisch zu der Idee, als Reaktion auf das US-Inflationsbekämpfungsgesetz Subventionen in der Europäischen Union auszuweiten. „Europa hat mit dem NGEU schon ein Subventionsprogramm für die grüne Transformation“, sagte der Präsident des Ifo-Instituts, Fuest, der Börsen-Zeitung. „Ein weiteres hinzuzufügen, ist nicht der richtige Weg, zumal die Gelder des ersten noch nicht abgeflossen sind.“ Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Holger Görg, verweist auf den 750 Mrd. Euro schweren Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ (NGEU). Dieser sei umfangreicher als die US-Vorhaben. In einer hektischen Gegenreaktion mit eigenen Subventionen sieht Görg klar die falsche Reaktion: „Sie würden eine massive Geldverschwendung bedeuten und könnten am Ende auf einen Handelskrieg hinauslaufen.“
Klage steht im Raum
Bei dem 369 Mrd. Dollar schweren US-Programm sind Subventionen und Steuergutschriften daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. Um Wettbewerbsnachteile abzufedern, soll die EU nach dem Willen von der Leyens die Vorschriften für öffentliche Investitionen lockern und zusätzliche europäische Finanzmittel zur Förderung sauberer Technologien mobilisieren. Von einer Klage gegen die USA vor der Welthandelsorganisation (WTO) hält von der Leyen hingegen nichts. Handelspolitiker Bernd Lange (SPD) aus dem EU-Parlament fordert eine solche Klage. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat seinerseits immer wieder moniert, die USA verstießen gegen WTO-Recht.
Statt einer solchen Eskalation setzen DIHK-Außenwirtschaftschef Treier und Ifo-Chef Fuest in erster Linie auf eine bilaterale Einigung, die WTO-Recht respektiert. „Die richtige Reaktion auf die Inflation Reaction Act besteht darin, mit den USA darüber zu verhandeln, die protektionistischen Regelungen herauszunehmen“, sagt Fuest. Das fordert auch Treier. Er fügt an, die EU müsse tunlichst davon absehen, sich mittels einer „Buy European“-Klausel nun ihrerseits abzuschotten.
In Unternehmen, die auf beiden Seiten des Atlantiks aktiv sind, ist jedenfalls Verunsicherung zu spüren. In einer Umfrage der amerikanischen Handelskammer im Anschluss an die Zwischenwahlen in den USA zeigten sie sich uneins, wie sich das transatlantische Verhältnis nächstes Jahr entwickeln wird (siehe Grafik).