Was die Rettung des Klimas kostet
Von Anna Steiner, Frankfurt
Der Klimawandel ist längst spürbar – und das nicht mehr nur in Staaten wie dem bereits versinkenden Pazifikstaat Tuvalu. Auch Mitteleuropa kommt die Erderwärmung schon heute teuer zu stehen – und sie wird noch teurer werden. Das zeigen nicht nur die Ereignisse 2021 mit Fluten in Deutschland, Bränden in Griechenland und Tropenstürmen in Amerika. Die Politik zeigt sich bei der Suche nach Finanzierungsinstrumenten bislang jedoch unkreativ.
Viele Staatshaushalte sind schon heute starken Belastungen durch die Schäden nach Klimakatastrophen ausgesetzt. Beispiel USA: Auch neun Tage nach dem Tropensturm „Ida“ sind in Louisiana noch immer 400000 Haushalte ohne Strom. In Kalifornien lodern Brände. US-Präsident Joe Biden rief angesichts der zunehmenden Naturkatastrophen die „Alarmstufe rot“ aus. „Das Land und die Welt sind in Gefahr. Das ist keine Übertreibung. Das ist eine Tatsache“, sagte Biden. Der Klimawandel sei nicht nur eine Bedrohung für unser Leben, sondern auch für die Wirtschaft. Die US-Haushaltsbehörde forderte den Kongress auf, einen Nachtragshaushalt mit mindestens 24 Mrd. Dollar zusätzlich für die Schäden von Naturkatastrophen zu genehmigen. Allein „Ida“ dürfte die US-Regierung 10 Mrd. Dollar kosten.
Auch hierzulande haben es die Zahlen der Juli-Flut in sich: Mitte Juli fielen innerhalb von 24 Stunden 100 bis 150 Liter Regen pro Quadratmeter. In anderen Jahren regnet es in einem gesamten Monat weniger. Mindestens 180 Menschen starben. Die nicht versicherten Schäden sind immens. 30 Mrd. Euro hat die Bundesregierung den betroffenen Gebieten als Fluthilfe zugesagt. Zum Vergleich: Im Bundeshaushalt für das Pandemiejahr 2021 sind 35,3 Mrd. Euro für Ausgaben des Gesundheitsministeriums vorgesehen.
Die Situation dürfte sich – unter umweltpolitischen und finanziellen Gesichtspunkten – in naher Zukunft weiter dramatisch zuspitzen. Wie der Weltklimarat in seinem sechsten Sachstandsbericht warnt, werden auf der einen Seite Extremwetter voraussichtlich deutlich häufiger vorkommen (vgl. Grafik). Auf der anderen Seite lässt die Politik Antworten vermissen, wer für die Schäden von Umweltverschmutzung, Extremwettern und anderen, auf die Erderwärmung zurückzuführenden Naturereignissen aufkommen soll – oder wie Maßnahmen zur Prävention bezahlt werden können.
Der Klimawandel und seine Kosten sind inzwischen zu einem bestimmenden Thema im Bundestagswahlkampf geworden. Denn er kostet nicht nur den Staat, sondern auch die Bürger. Tanken und Heizen mit fossilen Energieträgern sind wegen des zu Jahresbeginn ausgeweiteten CO2-Preises deutlich teurer geworden. Zudem sind in den vergangenen Jahren die Strompreise spürbar gestiegen. In ihren Wahlprogrammen versprechen die Parteien den Bürgern Entlastungen. Im Mittelpunkt steht die EEG-Umlage. Sie soll gesenkt oder abgeschafft werden. Dabei ist sie das Hauptfinanzierungsinstrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Stattdessen planen alle größeren Parteien die Einführung eines CO2-Preises in mehr Sektoren – bislang betrifft dieser die privaten Haushalte nur beim Tanken und Heizen. Er könnte jedoch auf den Bereich Wohnen ausgeweitet werden. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase soll so teuer werden, dass der Leidensdruck groß genug wird, damit tatsächlich Emissionen eingespart werden. Auf der anderen Seite sollen einkommensschwache Haushalte durch eine Pauschale entlastet werden. So heißt es etwa im Wahlprogramm der Union: „Die Einnahmen aus dem Emissionshandel werden wir in vollem Umfang an die Bürgerinnen und Bürger und an die Betriebe durch Stromverbilligung zurückgeben.“
Klimaklub als Lösung
Schaut man sich allerdings die Prognosen an, welche Wirkung die geplanten Maßnahmen auf das Erreichen des deutschen Klimaziels haben, wird eines schnell deutlich: Das Geld wird hinten und vorne nicht reichen, um die Kosten zu stemmen – von Ausnahmeereignissen wie der Jahrhundertflut im Juli, die den Staatshaushalt und Tausende private Haushalte zusätzlich belastet, ganz zu schweigen. Allein die in Deutschland produzierten Treibhausgas-Emissionen haben im Jahr 2019 weltweit Schäden in Höhe von mindestens 156 Mrd. Euro verursacht, rechnet das Umweltbundesamt vor. In den vergangenen Jahren hat sich an diesem jährlichen Betrag kaum etwas geändert (siehe Grafik).
Diese Übersicht zeigt einmal mehr, dass Klimaschutz keine nationale oder europäische Aufgabe sein kann. Die Erderwärmung wird sich nur begrenzen lassen, wenn die internationale Gemeinschaft sich auf einen gemeinsamen Nenner verständigt. Dass das Bundeskabinett Ende August bekannt gab, einen Klimaklub im Sinn des Wirtschaftsnobelpreisträgers William Nordhaus gründen zu wollen, kann nur ein erster Schritt sein.