Deutsche Konjunktur

Wirtschaft erholt sich vom Corona-Einbruch

Die deutsche Wirtschaft hat 2021 mit einem Wachstum von 2,7% den Rückschlag aus dem Coronajahr 2020 teilweise aufgeholt. Die Leistung hat in fast allen Wirtschaftsbereichen zugelegt, das Vorkrisenniveau aber noch nicht wieder erreicht.

Wirtschaft erholt sich vom Corona-Einbruch

ba Frankfurt

Um 2,7% hat die deutsche Wirtschaft 2021 zugelegt. Das Vorkrisenniveau ist allerdings noch nicht wieder erreicht und auch im europäischen Vergleich ist damit nur ein Platz auf den hinteren Rängen zu erwarten. In den Staatsfinanzen machten sich die Coronafolgen ebenfalls bemerkbar: Das Finanzierungsdefizit übertraf mit 153,86 Mrd. Euro den Wert des Vorjahres und ist nun das zweithöchste seit der Wiedervereinigung (siehe Bericht Seite 6). Der Arbeitsmarkt hingegen erwies sich als robust.

Ökonomen hatten zwar ein etwas geringeres Wachstum von 2,5% erwartet, zeigten sich aber nur verhalten optimistisch für das laufende Jahr – auch, weil für das Schlussquartal wohl ein größeres Minus ansteht als zuletzt erwartet. Das Statistische Bundesamt (Destatis) erwartet einen Rückgang von 0,5 bis 1% im Vergleich zum Vorquartal. Angesichts der anhaltenden Lieferprobleme, Materialengpässe, hoher Inflation und drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen dürfte die Wirtschaft erst im Frühjahr wieder anspringen. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 ist das BIP noch 2,0% niedriger.

Wachstumssteigernd wirkten sich 2021 vor allem die Exporte und die staatlichen Konsumausgaben aus, erklärte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, bei der Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse. Der Außenbeitrag trug 0,9 Prozentpunkte zum Wachstum bei. Der Staat gab vor allem für den Betrieb von Test- und Impfzentren sowie die kostenlosen Schnelltests und Impfstoffe mehr Geld aus. Der Staatskonsum stieg vom bereits hohen Vorjahresniveau um weitere 3,4%. Und auch in Bauten und Ausrüstungen wurde im Jahresvergleich wieder mehr investiert.

Biontech-Effekt

Auch der Erfolg der Mainzer Biontech mit dem Corona-Impfstoff hat für Schwung gesorgt: etwa 0,5% der gesamten Wirtschaftsleistung führt etwa Nils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am IfW Kiel, auf die erstmals berücksichtigen Lizenzeinnahmen des Impfstoffentwicklers zurück. „Dass ein einzelnes Unternehmen das BIP so stark anhebt, ist äußerst ungewöhnlich“, sagte Jannsen. Destatis selbst nannte den Einfluss „merklich“, gibt aber zu Einzelunternehmen keine Auskunft, wie Michael Kuhn, Leiter der Destatis-Gruppe „Inlandsprodukt, Input-Output-Rechnung“ betonte.

Der private Konsum, sonst zuverlässige Wachstumsstütze, stabilisierte sich auf dem niedrigen Vorjahresniveau. Grund dafür war einerseits die hohe Betroffenheit durch die Eindämmungsmaßnahmen, andererseits aber auch die wegen der temporär gesenkten Mehrwertsteuer auf 2020 vorgezogenen Käufe langlebiger Gebrauchsgüter wie Möbel oder Haushaltsgeräte. Ökonomen erwarten aber, dass der Privatkonsum 2022 wieder anzieht. Dafür spricht auch die Sparquote, die zwar leicht zurückgegangen ist, mit 15% aber immer noch ein extrem hohes Niveau aufweist.

Zahlen für das vierte Quartal legt Destatis am 28. Januar vor. Am 25. Februar folgen die Details für 2021. Wie stark das Gesamtjahr 2021 von der Entwicklung der Corona-Pandemie geprägt war, zeigt sich auch an den im Jahresverlauf zahlreichen, teils kräftigen Prognoseänderungen, die sich im Konjunkturtableau von ZEW und Börsen-Zeitung widerspiegelten. Anfang 2021 hatten die Experten noch mit einem deutlich höheren Wachstum und vor allem einer erheblich niedrigeren Inflationsrate gerechnet, erklärte ZEW-Experte Michael Schröder. Die damaligen Prognosen sowohl für den Euroraum als auch für Deutschland hätten sich als zu optimistisch herausgestellt. Und die Entwicklungen der vergangenen Monate „hinterlassen auch erkennbar ihre Spuren in den Prognosen für 2022 und 2023“, betonte Schröder.

Für das reale BIP Deutschlands ist die Medianprognose für 2022 von 4,5% im Dezember auf aktuell 4,0% gesenkt worden, für 2023 werden nun +2,5% erwartet. Ganz ähnlich sahen Schröder zufolge die Angaben vor einem Jahr für die Jahre 2021 (4,0%) und 2022 (3,3%) aus. „Das für 2021 erwartete und nicht eingetretene hohe Wachstum wird nun für 2022 erhofft“, sagte Schröder.

Die Inflationsprognose für 2022 in Deutschland liegt nun bei 2,7% nach zuvor 2,4%. Für 2023 werden 1,8% avisiert. Damit wird weiter ein Rückgang des derzeit mit 5,3% sehr hohen Preisanstiegs im Jahresverlauf erwartet. Ähnliches gilt für den Euroraum – mit einer prognostizierten durchschnittlichen jährlichen Preissteigerungsrate von 2,4% wird zwar ebenfalls einen markanten Rückgang vom Dezemberwert von 5,0% nahegelegt. „Allerdings liegt diese Inflationsprognose zum ersten Mal klar über der 2-Prozent-Zielmarke der EZB“, sagte Schröder.

Konjunkturtableau Deutschland
2. Quartal3. QuartalPrognose 2022Prognose 2023
2019202020212021TiefMeridianHochTiefMeridianHoch
Volkswirtschaftliche Daten
Bruttoinlandsprodukt 10,6− 4,92,01,72,04,05,21,72,53,6
Privatkonsum 11,6− 6,13,86,23,96,08,01,22,23,7
Staatskonsum 12,53,34,6− 2,2− 1,80,72,70,21,12,5
Anlageinvestitionen 12,5− 3,11,2− 2,21,03,55,00,74,05,3
Exporte 10,9− 9,40,6− 1,02,35,17,92,24,67,6
Importe 11,9− 8,52,2− 0,6− 2,85,88,1− 2,14,58,1
Letzter Wert
Verbraucherpreise 21,40,55,3 (Dezember) *2,22,73,61,72,02,4
Arbeitslosenquote 35,05,95,1 (Dezember)3,85,35,84,05,15,3
Zinsen und Zinsdifferenzenin drei Monatenin zwölf Monaten
Dreimonatsgeld 3− 0,36− 0,43− 0,57− 0,6− 0,5− 0,5− 0,6− 0,5− 0,3
zehnjährige Anleihen 3− 0,14− 0,57− 0,03− 0,20,00,5− 0,10,10,8
USA/Eurozone, langfristig 3,4205151181130190260130190220
USA/Eurozone kurzfristig 3,426910781628815080120225
Eurozone lang/kurz 3,42214543655993665191
Redaktionsschluss: 11. Januar; Tagesdaten vom 10. Januar.1) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2019 und 2020 sind Jahresdurchschnitte; letzter Wert der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten; * vorläufige Schätzung
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