Wirtschaftsdaten rechtfertigen Zinssenkung der EZB im Oktober nicht
Wirtschaftsdaten rechtfertigen Zinssenkung nicht
Inflationsdruck laut Deka-EZB-Zinskompass weiterhin recht hoch – Trotz mauer Konjunktur keine Notwendigkeit für erneute Lockerung der Geldpolitik
Alles andere als eine Zinssenkung der EZB am Donnerstag um 25 Basispunkte wäre eine große Überraschung – auch für die DekaBank. Dabei sprechen die jüngsten Daten des Deka-EZB-Zinskompasses trotz mauer Aussichten für die Konjunktur im Euroraum nicht für eine notwendige zeitnahe weitere Lockerung der Geldpolitik.
Fortschritte beim Rückgang der Inflationsrate und vor allem eine weiterhin schwächelnde Wirtschaft in der Eurozone dürften die EZB am Donnerstag dazu veranlassen, eine zweite Zinssenkung in Folge um 25 Basispunkte zu beschließen. Ein Schritt, der für manche Ökonomen durchaus erklärungsbedürftig ist. So auch für Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank. „Es kommt jetzt vor allem darauf an, wie die EZB diese weitere Lockerung begründet“, meint der Volkswirt.
Denn trotz des Rückgangs der Inflation im September auf 1,8% ist der unterliegende Preisdruck gemessen an der Kernrate in der Eurozone weiterhin hoch – und ein Anstieg der Verbraucherpreise ab November zeichnet sich bereits ab. „Im etwas längerfristigen Kontext betrachtet ist der Disinflationsprozess bei den Verbraucherpreisen von Dienstleistungen alles andere als schnell vorangekommen“, gibt Tödtmann außerdem zu bedenken.
Inflationsdruck mahnt zur Vorsicht
So bleibt auch die Inflationssäule des Deka-EZB-Zinskompasses, der vor jeder Zinssitzung der Notenbank exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, trotz Rückgangs auf einem erhöhten Niveau. Dies mahne laut Tödtmann zur Vorsicht, die Geldpolitik nicht zu schnell zu lockern. Insgesamt fällt der Wert des Zinskompasses zwar in den negativen Bereich, doch nicht stark genug, dass dies ein „überzeugendes Signal für eine erneute Senkung der Leitzinsen“ liefere.
Als Argument für eine Lockerung am Donnerstag sieht Tödtmann die Zinssenkung der Fed im September um 50 Basispunkte. Um eine Aufwertung des Euro zu verhindern, die sich negativ auf die bereits schwächelnde Euro-Industrie auswirken könnte, sollte die EZB nicht zu stark „gegen den Strom schwimmen“.
Vor wenigen Wochen sprach für viele EZB-Ratsmitglieder wenig dafür, die Leitzinsen im Oktober abermals zu senken. Dies geht aus dem Protokoll der September-Sitzung hervor, aber auch aus den öffentlichen Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde unmittelbar nach diesem Treffen der Notenbanker.
Maue Kreditvergabe
Dass sich diese Einschätzung inzwischen geändert hat, wie aus Äußerungen verschiedener Ratsmitglieder seitdem hervorgeht, dürfte vor allem an wachenden Zweifeln an den eigenen Prognosen liegen. Im September sagte die EZB ein reales Wachstum der Wirtschaftsleistung der Eurozone um 0,2% im dritten und vierten Quartal 2024 voraus. Gegenüber der vorherigen Projektion war das bereits eine Reduktion um jeweils die Hälfte. Doch womöglich entwickelt sich die Wirtschaft noch schwächer. Anders als vorhergesagt, zieht der private Konsum weiterhin nicht an. Die Reallohngewinne fließen größtenteils in die Ersparnisse.
Eine zeitnahe Belebung der Wirtschaft durch eine Zunahme der Unternehmensinvestitionen zeichnet sich zudem ebenfalls nicht ab. Wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Bank Lending Survey (BLS) der EZB hervorgeht, sind die Kreditbedingungen der Unternehmenskunden im dritten Quartal unverändert geblieben. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel nach rund zwei Jahren, in denen die Banken bei der Kreditvergabe immer strenger wurden. Für positive wirtschaftliche Impulse müssen die Kreditbedingungen jedoch lockerer werden.
Laut Tödtmann dürften viele EZB-Räte von den Ergebnissen des BLS enttäuscht sein. „Nachdem die EZB die Leitzinsen zwei Mal gesenkt hat und die Finanzmärkte einige weitere Zinsschritte bereits vorweggenommen haben, argumentieren sie, dass eine weniger restriktive Geldpolitik zur Belebung des Wirtschaftswachstums beitragen sollte“, sagt er. „Dies müsste sich allerdings auch in einem erleichterten Zugang zu Bankkrediten niederschlagen.“ Da dies bislang ausgeblieben ist, könnte der BLS für einige Notenbanker ein weiteres Argument sein, bereits am Donnerstag die Zinsen zu senken.
Entscheidende Kommunikation
Wie sich eine Zinssenkung auf die Märkte auswirken würde, hängt für Tödtmann von der Kommunikation der EZB ab. „Denn nur, wenn sie von einem geringeren Wirtschaftswachstum oder einem schnelleren Rückgang der Inflation ausgeht, würde sie auch für die bevorstehenden Ratssitzungen Spielraum für umfangreichere oder zumindest schnellere Leitzinssenkungen andeuten“, meint er. „Spricht sie dagegen von geringeren Aufwärtsrisiken für die Inflation oder zunehmenden Abwärtsrisiken für das Wachstum, ohne dabei ihr Basisszenario grundsätzlich infrage zu stellen, wäre auf längere Sicht immer noch mit einem neutralen Leitzinsniveau zu rechnen.“