EZB

Zweiter großer Zinsschritt im Gespräch

Wenige Tage nach dem vorgezogenen Abschied vom Negativzins in der Eurozone diskutieren erste nationale Notenbankchefs das Tempo der EZB-Zinswende.

Zweiter großer Zinsschritt im Gespräch

rec Frankfurt

Unter Europas Währungshütern läuft die Debatte über weitere Zinserhöhungen an. Man wolle „Schritt für Schritt“ vorgehen, aber das heiße nicht, „sehr langsam zu sein“, sagte Italiens Notenbankchef Ignazio Visco im Interview mit Bloomberg TV. Für die konkrete Höhe des Zinsschritts sei es aber noch zu früh. Deutlicher wurde sein lettischer Kollege Martins Kazaks: „Ich würde sagen, dass auch die Zinserhöhung im September recht deutlich ausfallen muss.“ Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann warnte davor, die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen zu lassen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vor wenigen Tagen die Zinswende begonnen und dabei zur Überraschung vieler das Ende des Negativzinses vorgezogen. Nun geht es um die Frage, ob der EZB-Rat bei seiner nächsten Sitzung im September ebenfalls eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte folgen lässt. Weil sich die EZB vom Zinsausblick, ihrer sogenannten Forward Guidance, verabschiedet hat, liegt das Interesse von Marktteilnehmern und Analysten nun umso stärker auf Äußerungen einzelner Notenbanker.

Der Lette Kazaks sprach sich nun als erstes Mitglied des EZB-Rats explizit für einen weiteren kräftigen Zinsschritt aus. Er signalisiert sogar Offenheit für einen noch größeren Schritt um 75 Basispunkte. „Angesichts der Ungewissheit, angesichts der Inflationsdynamik, angesichts der Risiken eines längeren Anhaltens, würde ich sagen, dass wir natürlich offen bleiben sollten für Diskussionen“, sagte Kazaks.

Die Inflation im Euroraum hat zuletzt mit 8,6% abermals ein Rekordhoch erreicht. Außerdem haben EZB-Beobachter in einer vierteljährlichen Umfrage der Notenbanken ihre Inflationsprognosen für dieses und die kommenden Jahre durchweg angehoben. Das schürt Sorgen, dass sich höhere Inflationserwartungen auch in der breiten Bevölkerung festsetzen – beispielsweise mit der Folge höherer Lohnabschlüsse, was wiederum die Inflation anheizt.

Bei schon sehr hohen Inflationsraten sei es wichtig, dass sich diese nicht im Bewusstsein der Menschen festsetzten und Inflationserwartungen entankert werden, sagte Österreichs Notenbankchef Holzmann im österreichischen Rundfunk. „Falls die Hinweise darauf sich verstärken sollten, müsste man gegebenenfalls eine leichte Rezession hinnehmen, um damit die Inflation nach unten zu bringen“, sagte Holzmann. Es gebe Hinweise, dass die langfristigen Inflationserwartungen deutlicher über das mittelfristige EZB-Inflationsziel von 2% steigen könnten.

Der Italiener Visco verteidigte das neue Anleihekaufprogramm TPI gegen Kritik. Es soll laut EZB bei „ungerechtfertigten, ungeordneten“ Verwerfungen an den Staatsanleihemärkten zum Einsatz kommen. Visco widersprach der Interpretation, das „Transmission Protection Instrument“ sei darauf ausgelegt, „ein einzelnes Land“ wie Italien zu schützen. Der derzeitige Risikoaufschlag ge­genüber Bundesanleihen sei nicht durch die ma­kroökonomischen Fundamentaldaten gerechtfertigt. „Aber das hat immer noch etwas mit der politischen Unsicherheit zu tun, die der Markt sieht.”

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