Im BlickfeldSchwache Nachfrage

Deutsche Autoindustrie auf Abwärtskurs

Die flaue Nachfrage trifft die deutschen Autohersteller und Zulieferer hart. Besonders im bisherigen Wachstumsmarkt China läuft es schlecht. Es gibt aber noch mehr Gründe für die Talfahrt.

Deutsche Autoindustrie auf Abwärtskurs

Auf Abwärtskurs

Die flaue Nachfrage vor allem nach Elektrofahrzeugen
bringt die deutsche Autoindustrie ins Schleudern.

Von Joachim Herr, München

Der Motor stottert. Für die deutsche Autoindustrie läuft es gar nicht rund. Hersteller und Zulieferer müssen reihenweise Geschäftsziele nach unten revidieren. Arbeitsplätze und ganze Standorte sind in Gefahr. In den Schlagzeilen sind Volkswagen und ZF, wo die Beschäftigten auf Konfrontationskurs zur Unternehmensleitung gehen.

Dass die Lage aus mehreren Gründen schwierig ist, spiegeln etliche Studien wider, in denen sich Experten mit der Branche auseinandersetzen. Die große Aufmerksamkeit erstaunt nicht: Die deutsche Autoindustrie ist seit Jahrzehnten ein Aushängeschild für die Wirtschaft und Exportstärke hierzulande, ein wichtiger Arbeitgeber und ein Paradebeispiel für deutsche Ingenieurskunst und Innovation.

China und Elektromobilität

Lässt sich die Schwäche mit einer Nachfrageflaute erklären, auch in dem für die hiesigen Hersteller besonders wichtigen Premiumsegment, oder handelt es sich um ein erhebliches strukturelles Problem? Ganz oben in der Ursachenforschung stehen der chinesische Markt, der Schwung verloren hat, und der stockende Wandel zur Elektromobilität.

Die Konsumschwäche in China trifft die deutschen Hersteller besonders hart. Das Land war für sie seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts der Wachstumsmarkt schlechthin – über die Corona-Pandemie hinaus. Die Landesbank Baden-Württemberg erinnert daran, dass im Rekordjahr 2022 China einen Anteil am Absatz von VW, BMW und Mercedes-Benz von mehr als 35% hatte. Jetzt verkaufen sich dort auch die Autos im Premiumsegment nur zäh, die die größten Ergebnisbeiträge liefern.

„Wenig Hoffnung für Erholung“

Trotz der jüngsten Schritte der Staatsführung Chinas mit dem Versuch, die Konjunktur zu beleben, rechnen Analysten zumindest für den Rest dieses Jahres nicht mit einer Besserung. „Es gibt wenig Hoffnung für eine Erholung der Nachfrage“, heißt es im jüngsten Industriebarometer des Bankhauses Metzler zur Automobilindustrie. Auch der Preis- und Wettbewerbsdruck in China werde vorerst nicht nachlassen.

Hinzu kommt: Der Anteil der Elektrofahrzeuge in China steigt kräftig – unterstützt von der staatlichen Förderung. Allerdings geht dieser Boom an den deutschen Anbietern zum großen Teil vorbei. Zum einen fehlt es an den Produkten, zum anderen hat sich der Wettbewerb in diesem Segment mit den heimischen Herstellern und Tesla verschärft. Für die deutschen Unternehmen könnte die Lage in den nächsten Jahren noch schwieriger werden, da die chinesische Konkurrenz verstärkt ins Premiumsegment drängt.

Stabilere Preise in Sicht

Allerdings sind die meisten chinesischen Hersteller nicht profitabel, eine Konsolidierung zeichnet sich ab. Da der Staat seine Unterstützung reduziert, sind die Unternehmen gezwungen, ihre Profitabilität zu steigern. „Das könnte zu stabileren Preisen für Elektrofahrzeuge führen“, heißt es im Branchenbarometer von Metzler. Davon könnten alle deutschen Marken profitieren.

Die zweite Schwachstelle mit Abwärtspotenzial ist die schleppende Entwicklung der Elektromobilität in Nordamerika sowie zahlreichen europäischen Ländern, vor allem in Deutschland. Das trifft auch die Zulieferer. Sie hätten nicht nur mit der schwächer als erwarteten globalen Autoproduktion zu kämpfen, heißt es in einer Analyse der Ratingagentur Moody’s. Auch die verzögerte Markteinführung neuer Modelle, vor allem von E-Mobilen, senke das Produktionsvolumen und erhöhe die Volatilität der Abrufe von Aufträgen. Das erschwere es, die Fixkosten zu decken, mache die Produktion der Zulieferer ineffizienter und eine Planung unsicher.

„Ein Nischendasein“

Eine Linderung könnte zumindest vorübergehend eine Rückkehr zu verstärkten Anreizen der EU und Deutschlands für den Kauf von Elektroautos bringen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kündigte vor kurzem nach einem Branchengespräch, dem sogenannten Autogipfel, an, in der Bundesregierung über eine neue Förderung zu beraten. Diese solle dann im Gegensatz zur früheren Prämie für eine langfristige Planbarkeit sorgen.

Auch wegen der Umweltziele und Vorgaben für Abgasemissionen der einzelnen Hersteller wäre eine Wachstumsbelebung dringend notwendig. „Das Elektrosegment fristet derzeit ein Nischendasein“, stellt das Beratungsunternehmen EY fest. „Vom massenhaften Aufschwung der Elektromobilität ist in Deutschland wenig zu sehen.“ Der Paradigmenwechsel lasse weiter auf sich warten. Mit Blick auf die Emissionsziele für das Jahr 2030 schlägt die Landesbank Baden-Württemberg Alarm: Ohne eine Lockerung der Vorgaben könnten Hersteller in Existenznöte geraten, da Strafzahlungen in Milliardenhöhe drohten.

Chinesen fassen Fuß

Pessimisten befürchten, dass sich die Schwierigkeiten von Europas Autoindustrie noch verschärfen, wenn die chinesische Konkurrenz mit ihrer Expansion hier erst richtig loslegt. Einem Abgesang stehen zuversichtliche Stimmen gegenüber: „Die Bemühungen chinesischer Hersteller, in Deutschland Fuß zu fassen, zeigen bislang nur begrenzte Erfolge“, stellt Jan Sieper, Autoexperte von EY, fest. „Das Wachstum ist überschaubar.“ Ohne ein Vertriebs- und Servicenetz geht es nicht. Vertrauen und Markentreuen müssen ebenfalls erst aufgebaut werden. Zudem gelinge es den deutschen Konzernen derzeit, „neue Modelle erfolgreich am Markt zu platzieren“, sagt Sieper.

Die Landesbank Baden-Württemberg gibt ihrer Studie den Titel „Der drohende Detroit-Moment für die deutsche Automobilindustrie“. Doch an einen Niedergang wie den der US-amerikanischen „Motor City“ in den 80er Jahren glauben die Autoren nicht. Neue Produkte seien auf dem Weg, die Kassen prall gefüllt und die Innovationskraft hoch. Zudem gebe es Markenwerte, die über Generationen von Kunden entstanden seien.

Auch strukturelle Probleme

Freilich hat die deutsche Autoindustrie nicht nur mit einer Nachfrageschwäche zu kämpfen. Qualitätsprobleme wie im Fall der Bremsen von Continental für BMW sind offensichtlich – und im Fall von Volkswagen große strukturelle Defizite.

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