Im BlickfeldAnsparen fürs Eigenheim

Bausparboom ist schon wieder vorbei

Nach zwei Ausnahmejahren schrauben die Bausparkassen ihre Erwartungen schon wieder herunter. Die Struktur der Branche ändert sich trotz der Fusionen der Landesbausparkassen nur allmählich.

Bausparboom ist schon wieder vorbei

Bausparboom ist schon wieder vorbei

Nach zwei Jubeljahren pendelt sich das Neugeschäft auf Normalniveau ein – Branchenstruktur wandelt sich nur allmählich

Die Branche der Bausparkassen geht mit gedämpften Erwartungen ins neue Geschäftsjahr. Bei den privaten Instituten schlägt 2024 ein Rückgang von fast 24% beim eingelösten Neugeschäft zu Buche, die fünf Landesbausparkassen im Land schreiben in den ersten neun Monaten 15% weniger Neugeschäft.„Nach den exorbitant guten Jahrgängen 2022 und 2023 hat beim Bausparen ein Prozess der Normalisierung eingesetzt, der auch auf einen gewissen Sättigungseffekt zurückgeht“, sagt Mike Kammann, Vorstandschef des Marktführers Schwäbisch Hall.

Zuvor hatte das Jahrzehnt der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) der Branche schwer zu schaffen gemacht. Da günstige Baukredite an jeder Ecke zu haben waren, fehlte zunehmend der Anreiz, sich über den Bausparvertrag mit seiner langen Ansparphase gute Konditionen zu sichern. Das änderte sich schlagartig, als die abrupte Zinswende 2022 die Bauzinsen in die Höhe trieb. Der rasante Anstieg rückte den Traum vom Eigenheim für viele Menschen in absehbare Ferne – und ließ die Nachfrage nach Bausparverträgen in die Höhe schnellen. Nachdem die gesamte Branche 2023 noch um die 100 Mrd. Euro Neugeschäft geschrieben hat, dürfte sie 2024 nur noch knapp 84 Mrd. Euro erreicht haben.

Vertrieb als Erfolgsfaktor

Die Landschaft der Bausparkassen ist vielfältig. Die Bilanzsummen bewegen sich zwischen 1 und 80 Mrd. Euro. Entscheidend für den Erfolg sei aber nicht ihre Größe, sondern die Schlagkraft ihres Vertriebs, sagt Dirk Botzem, Vorstand der Debeka Bausparkasse. Das mittelgroße Institut mit Sitz in Koblenz hatte 2023 rote Zahlen geschrieben. Tatsächlich scheinen die Institute, die in eine Finanzgruppe mit Filialnetz eingebunden sind, eher besser abzuschneiden als andere.

„Sowohl die genossenschaftlichen Banken wie auch unser Außendienst sind in der Fläche sehr gut vertreten“, argumentiert Kammann. So verzeichnete die bundesweit tätige Schwäbisch Hall als Teil der genossenschaftlichen Finanzgruppe mit einem Neugeschäftsvolumen von 28 Mrd. Euro zwar einen Rückgang von knapp 10%. Dennoch baute sie ihren Marktanteil um 3,5 Prozentpunkte auf 34,7% aus. Viele Wettbewerber haben also noch größere Rückgänge beim Neugeschäft hinnehmen müssen.

Punkten mit neuen Tarifen

Ähnliches ist bei der LBS Süd als Bestandteil der Sparkassen-Gruppe zu beobachten. Sie blieb mit einem Brutto-Neugeschäft von gut 16 Mrd. Euro zwar knapp hinter dem Vorjahr zurück. Doch auch sie steigerte ihren Marktanteil. Bezogen auf ihr eigenes Geschäftsgebiet erhöhte er sich von 33,7% auf 37,2%. Vorstandschef Stefan Siebert führt dies auf die enge Zusammenarbeit, aber auch auch auf die Einführung neuer Tarife zurück.

Einen schweren Einbruch beim Neugeschäft verzeichnete Wüstenrot. Schon zum Ende des dritten Quartals 2024 meldete die zum W&W-Konzern gehörende Bausparkasse einen Einbruch von 42% – und begründete das mit dem Umstand, dass die Bankenpartner des Instituts das Bausparen aus dem Fokus verloren hätten. „Im Bausparen setzte sich die Normalisierung des Neugeschäfts nach dem zinsbedingten Rekordjahr 2023 aus den ersten Quartalen 2024 auch zum Jahresende fort“, sagt Wüstenrot-Chef Bernd Hertweck heute. Insgesamt liege das Neugeschäft unter den Rekordwerten des Vorjahres 2023 und auf einem Niveau von vor dem Zinsanstieg.

Keine Torschlusspanik geschürt

Wüstenrot hat zuletzt keine neuen Tarife aufgelegt. Damit unterscheidet sich die Bausparkasse von einigen Wettbewerbern, denen es gelungen war, zum 1. Oktober 2024 eine gewisse Torschlusspanik zu initiieren. So sahen sich viele Bausparer offenbar genötigt, noch schnell zu alten Konditionen mit niedrigeren Zinsen Verträge abzuschließen. Um die Scharte auszuwetzen, will Hertweck nun wieder „die Chancen der Kundenreichweite“ in den Fokus stellen. Dafür seien gemeinsam mit den Vertriebspartnern, zu denen neben Commerzbank und HVB auch Versicherer wie die Allianz und Ergo gehören, Wachstumsinitiativen aufgesetzt worden.

Baufinanzierung zieht wieder an

Für 2025 rechnet man in der Branche nicht erst seit der am Donnerstag beschlossenen Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) mit leicht rückläufigen Bauzinsen. Dennoch beobachten die Kassen im Kollektivgeschäft wieder eine anziehende Nachfrage nach Bauspardarlehen. Die Talsohle im Baufinanzierungsgeschäft gilt inzwischen als überwunden. Vielerorts bewegt sich das Volumen schon fast wieder auf der Höhe des langfristigen Durchschnitts.

Bestandsimmobilien als Treiber

„Getrieben wird die Nachfrage durch den Bestandsimmobilienmarkt, die niedrigeren Immobilienpreise und geringere Bauzinsen gegenüber dem Spitzenniveau der Vorjahre“, sagt Wüstenrot-Chef Hertweck in seiner Funktion als Verbandsvorsitzender der privaten Bausparkassen. Auch Wüstenrot erwarte 2025 einen deutlichen Anstieg des Netto-Neugeschäfts.

Strukturelle Veränderung

Die Struktur der Branche hat sich durch die Konsolidierungen im Lager der Landesbausparkassen verändert. Durch die Fusionen der vergangenen zwei Jahre hat sich die Zahl der Landesbausparkassen von acht auf fünf verringert. „Für uns macht das im Wettbewerb aber keinen Unterschied“, sagt Debeka-Chef Botzem. Zwar erachten manche Beobachter weitere Fusionen nur noch als eine Frage der Zeit, da die verbliebenen Landesbausparkassen relativ homogen sind und bereits dasselbe Kernbankensystem nutzen. Bis die Sparkassen nach dem Vorbild der genossenschaftlichen Schwäbisch Hall bundesweit mit einer großen Bausparkasse am Markt agieren, dürfte es allerdings dauern. Es handelt sich eher um eine Wunschvorstellung der LBS-Träger, die vom Management der Landesbausparkassen angesichts des hohen Fusionsaufwands nur bedingt geteilt wird.

Undurchdringlicher Tarifdschungel

Und die privaten Bausparkassen? „Fusionen nur aus Kostengründen machen für uns wenig Sinn“, so Botzem. Ohnehin ist es nicht trivial, die häufig Jahrzehnte alten Bausparverträge in einem zeitgemäßen Kernbankensystem abzubilden. Fusionen würden den heterogenen Tarifdschungel womöglich noch undurchdringlicher machen.

Zumindest hat der Zusammenschluss der Landesbausparkassen Südwest und Bayern zur LBS Süd dazu geführt, dass nach Schwäbisch Hall und Wüstenrot ein weiteres Institut unter die direkte Aufsicht der EZB gestellt ist. Der Branche gereicht es sicher nicht zum Nachteil, wenn sich die Bankenaufsicht mit dem typisch deutschen Konstrukt des Bausparvertrags befassen muss, das auf Basis eines Kollektivs aus Sparern funktioniert.

Laut LBS-Süd-Chef Siebert findet bereits ein Gewöhnungsprozess mit den europäischen Aufsehern statt. Schließlich könne die langjährige Zinsgarantie und Planungssicherheit die das Modell bietet, durchaus dabei helfen, unsichere Zeiten am Kapitalmarkt abzupuffern. Sichtbar sei dieser Effekt auch in der Finanzkrise von 2008/09 gewesen. Nicht von Ungefähr gilt der Bausparvertrag ja auch als das „Termingeschäft des kleinen Mannes“.

Von Thomas Spengler, Stuttgart
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