Ströer

Bewertungshybris

Die Bewertungsvorstellungen von Ströer-Chef Udo Müller für die Tochter Statista sind atemberaubend hoch. Dabei denkt der Konzernchef auch an sich selbst.

Bewertungshybris

Ströer-Chef und Großaktionär Udo Müller war noch nie verdächtig, über ein unterentwickeltes Selbstbewusstsein zu verfügen. Und so sind auch die Bewertungsvorstellungen für die Ströer-Tochter Statista atemberaubend. Müller strebt für den in den nächsten zwei Jahren angepeilten Börsengang des Daten- und Statistikdienstleisters eine satte Milliardenbewertung an. Die angeblich zuletzt von Kaufinteressenten offerierten bis zu 1,8 Mrd. Euro seien zu wenig gewesen.

Statista, so ließ sich Müller auf der Hauptversammlung vernehmen, habe das Potenzial, die aktuelle Bewertung des gesamten Ströer-Konzerns – derzeit sind es 2,5 Mrd. Euro – in Zukunft deutlich zu übertreffen. Der Werbemanager redet dabei über ein nicht mehr ganz junges Unternehmen, das im vergangenen Jahr 100 Mill. Euro Umsatz erzielt hat und unterm Strich vermutlich nur einen Minigewinn. Jährlich sollen Statistas Erlöse bis 2025 um 20 bis 30% wachsen.

Es dürfte spannend sein zu sehen, mit welcher Story und welchen belastbaren Nachweisen dafür Ströer in den kommenden zwei Jahren aufwarten will. Denn Stand heute kann die Bewertungsvorstellung nicht als äußerst ambitioniert, sondern eher als reine Hybris bezeichnet werden.

Ströer als Mutterkonzern dürfte bei manchem Investor wohl auch mit einem Reputationsabschlag rechnen müssen. Die Governance ist seit Jahren ein Thema. Mal ging es um fragwürdige Akquisitionen von Gesellschaften, die Ströer aus der Hand seiner Großaktionäre erwarb, mal um die Besetzung des Aufsichtsrats, der lange Zeit eher einer Family-and-Friends-Veranstaltung glich als einem sachkundigen und vor allem kritischen Kontrollgremium.

Die Ströer-Führung hat spätestens nach der Attacke des Hedgefonds und Leerverkäufers Muddy Waters Anfang 2016 erkannt, dass es ein „Weiter so“ nicht geben konnte. Schritte in Richtung von mehr Transparenz und einer professionelleren Gremienbesetzung waren erkennbar. Doch Governance-Defizite existieren weiter – das zeigt nicht zuletzt der vermessene Antrag zur Verlängerung längst gewährter Aktienoptionsrechte, der zu Recht von der Hauptversammlung abgeschmettert wurde. Nichts geändert hat sich auch am Eindruck, dass die Großaktionäre Müller und Dirk Ströer auch immer fleißig an die eigenen Taschen denken. Die üppige Dividende für das vergangene Jahr, die mit 2,25 Euro das nackte Konzernergebnis von 2,16 Euro je Aktie ein weiteres Mal übertrumpft, spricht dafür.

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