US-Konjunktur

Biden zwischen Inflation und Rezession

Bei den Kongresswahlen im November bangen die US-Demokraten um ihre Mehrheiten, und als Folge der hohen Inflation und geschwächten Konjunktur ist Präsident Joe Biden in der Wählergunst an einem Tiefpunkt angelangt. Aber er hat noch ein paar Trümpfe in der Hand.

Biden zwischen Inflation und Rezession

Von Peter De Thier, Washington

In einem kritischen Wahljahr ist die US-Wirtschaft zwischen die Mühlsteine der hohen Inflation und des schwachen Wachstums geraten. Die Teuerungsrate ist an den Verbraucherpreisen gemessen im Juni auf den höchsten Stand seit 41 Jahren gestiegen, und von April bis Juni wies das Bruttoinlandsprodukt (BIP) das zweite Mal in Folge ein Minus auf. Der Doppelschlag aus Inflation und Konjunkturschwäche trifft Präsident Joe Biden und seine Demokratische Partei im Kongress besonders hart. Denkbar ist, dass die Demokraten als Folge im November die Mehrheit verlieren könnten.

Wie gut oder wie schlecht geht es der US-Konjunktur aber wirklich? Republikaner werfen dem Präsidenten und dessen Kabinett vor, an der wirtschaftspolitischen Front versagt zu haben. Bidens Hilfsprogramme, die zusammen fast 3 Bill. Dollar kosteten, hätten die Staatsverschuldung weiter hochgetrieben und die Inflation befeuert, sagen sie. Auch wären die Preise weniger stark gestiegen, wenn der „Umweltpräsident“ Biden sich stärker für die Förderung der heimischen Ölproduktion eingesetzt hätte, anstatt auf erneuerbare Energien zu setzen.

Bidens Konjunkturprogramme waren aber unverzichtbar. Der American Rescue Act wurde inmitten der Corona-Pandemie verabschiedet, um die ökonomischen Folgen der Lockdowns und anderer Kontaktbeschränkungen auf Haushalte und Unternehmen etwas abzumildern. Acht Monate später unterzeichnete der Präsident dann ein Infrastrukturgesetz, das zu dringend notwendigen Investitionen in das Eisenbahn- und Schnellstraßennetz sowie erweitertem Breitbandzugang führte. Beides sind Gesetzeswerke, die Millionen von neuen Jobs geschaffen haben, dabei aber keinen nachweislichen Effekt auf die Inflation hatten.

Festzuhalten bleibt, dass die Wirtschaft keineswegs so schlecht ist, wie Republikaner den Wählern weismachen wollen, andererseits aber auch nicht so stark, wie Biden und seine Ökonomen im Weißen Haus behaupten. Der Präsident liegt richtig, wenn er darauf hinweist, wie robust der Arbeitsmarkt ist. Seit seinem Amtsantritt sind außerhalb der Landwirtschaft 9 Millionen neue Jobs entstanden.

Arbeitsmarkt bleibt robust

Die Arbeitslosenquote fiel sogar auf 3,5% – was als Vollbeschäftigung angesehen wird und zuletzt vor dem Ausbruch der Coronakrise erreicht worden war. Nun verharrt die Quote seit vier Monaten bei 3,6%. Gleichwohl scheint dem Arbeitsmarkt langsam die Puste auszugehen. Aus Angst vor einem möglichen Konjunktureinbruch nehmen nämlich Arbeitgeber seit einigen Monaten Stellenangebote, die sie ausgeschrieben hatten, ebenso wie bereits erfolgte Offerten an Bewerber wieder zurück. Das schlägt sich auch in den Neueinstellungen nieder, bei denen zuletzt geringere Steigerungen gemessen wurden.

Biden und seine Volkswirte be­haupten zwar, dass ungeachtet des negativen BIP-Wachstums im ersten Quartal bei so kräftigem Stellenaufbau von einer Rezession keine Rede sein könne und dass sämtliche Eckdaten „rückwärtsgewandt“ seien. Dies gelte insbesondere für das Wirtschaftswachstum, die Verbraucher- und Erzeugerpreise sowie das Verbrauchervertrauen. Stichhaltig ist das Argument aber dann nicht, wenn die Daten gerade mal vom vorangegangenen Monat oder im Fall des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vom vergangenen Quartal stammen, negative Trends aber schon seit über einem halben Jahr andauern, teilweise deutlich länger. Immerhin legen die Verbraucherpreise seit Mai 2020, als sie auf Jahressicht um 0,1% stiegen, kontinuierlich zu und wiesen zuletzt ein Plus von 9,1% auf.

Die politischen Folgen der Konjunkturlage sind jedenfalls immens. Wie aus Umfragen hervorgeht, in denen der Präsident und die Demokraten immer weiter abrutschen, spielt die niedrige Arbeitslosenquote kaum eine Rolle. Vielmehr geben Wähler die hohen Preise im Lebensmittelgeschäft, an der Tankstelle, beim Kauf eines Autos oder bei der Planung eines Urlaubs als ihre größte Sorge an. Dafür wiederum hat Mark Zandi, Chefvolkswirt bei Moody s Analytics, eine plausible Erklärung: „So wichtig der Jobmarkt auch ist, betrifft die Arbeitslosenquote weniger als 4% der Wähler. Die Inflation hingegen bekommt jeder zu spüren, deswegen ist sie politisch so sensibel.“

Chancen für neue Gesetze

Mit der weiter hohen Inflation und den wachsenden Rezessionsängsten halten die Demokraten mit Blick auf die Wahlen schlechte Karten, doch Biden hat seine letzten Trümpfe noch nicht ausgespielt. Die Ablehnung seines „Build Back Better“-Gesetzes, das sich auf Sozialprogramme und die Förderung erneuerbarer Energie konzentrierte, begründeten die Republikaner mit dem Preisschild von 1,75 Bill. Dollar. Angesichts des schwachen Wachstums könnten aber neue Konjunkturprogramme, die in Vorbereitung sind, im kommenden Jahr bessere Chancen im Kongress haben. Dazu zählt insbesondere der „Akt zur Inflationsverringerung“, ein Gesetzentwurf, der am Mittwoch vorgestellt wurde und der gute Chancen auf Verabschiedung hat. Auch sind Biden und seine Wirtschaftsberater unter Verweis auf die sinkenden Benzinpreise zuversichtlich, dass der Inflationsdruck in den kommenden Monaten nachlassen wird. Ob die Wähler ihm diese Argumente abkaufen, das wird sich in drei Monaten zeigen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.