Bundesfinanzen im Krisenmodus
Bundesfinanzen bleiben im Krisenmodus
Ausgaben verharren auf hohem Niveau – Neuverschuldung springt deutlich nach oben und beschert reichlich Zinsausgaben
Von Angela Wefers, Berlin
Der Bundeshaushalt 2024 steht nach langem Ringen der Ampel. Die Schuldenbremse soll erstmals seit 2019 – dem Jahr vor Beginn der Coronakrise – wieder eingehalten werden. Das ist eine nur vorläufig gute Nachricht. Verschlechtert sich die Lage in der Ukraine, soll die 2024 schon auf 8 Mrd. Euro verdoppelte deutsche Militärhilfe weiter aufgestockt werden. Dazu würde die Ampel erneut eine finanzielle Notlage vom Bundestag ausrufen lassen und die Schuldenbremse wieder aussetzen. So weit die Einigung der Haushälter von SPD, Grünen und FDP in der sogenannten Bereinigungssitzung im Bundestag. Sie kommt verspätet und erst im angebrochenen Haushaltsjahr. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse hatte die Ampel unvorbereitet getroffen und in eine Haushaltskrise mit viel Diskussionsbedarf gestürzt.
Weit entfernt vom Ziel
Von der anvisierten Normalisierung der Haushaltspolitik nach der Coronakrise ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) weit entfernt. Die Ausgaben liegen 2024 mit geplanten 477 Mrd. Euro um 120 Mrd. Euro weit über denen von 2019, dem letzten „normalen“ Jahr. Auch bei gemäßigten Steigerungsraten in den fünf Jahren, die sich etwa am Wachstum der Wirtschaftskraft orientieren, wäre ein solches Niveau nicht erreicht worden. 2024 wird mehr ausgegeben als im ersten Coronajahr 2020. Von den Ausgabesprüngen hat sich der Bundeshaushalt nie wieder erholt.
Es ist kein Zufall, dass es bei der Ampel keine Puffer für unvorhergesehene Ereignisse gibt. Die Haushälter schöpften den Kreditspielraum der Schuldenbremse bis auf den letzten Euro aus. Dies ist der erklärte Wille von SPD und Grünen. Sie würden noch weiter gehen, wenn die FDP nicht auf Einhaltung der Schuldenbremse bestehen würde. Zusätzliche Ausgaben wurden schon im November gebilligt, um Kürzungen bei Demokratieförderung, Kinder- und Jugendarbeit, Freiwilligendiensten, aktiver Zivilgesellschaft und im Kampf gegen Antisemitismus zurückzunehmen. Das ist ehrenwert, es sind aber vor allem konsumtive Ausgaben.
Die Folge der Planung ist: Überraschender finanzieller Mehrbedarf passt nicht mehr ins Zahlenwerk. Dabei hat die schlechte Wirtschaftslage der Ampel schon im November über eine höhere Konjunkturkomponente deutlich mehr Kreditspielraum von 22 Mrd. Euro eingeräumt, als noch im Regierungsentwurf mit 16,6 Mrd. Euro geplant waren. Samt „finanziellen Transaktionen“ von 17 Mrd. Euro schnellt die Nettokreditaufnahme auf 39 Mrd. Euro im nächsten Jahr empor. Dahinter verbergen sich 12 Mrd. Euro als erste Tranche für die Aktienrente und eine Kapitalerhöhung von rund 5 Mrd. Euro für die Bahn. Finanzielle Transaktionen wirken auf die Schuldenbremse neutral, da im Gegenzug Bundesvermögen geschaffen wird. Schlechte Folgen hat dies dennoch: Denn keineswegs neutral wirkt die zusätzliche Verschuldung auf die Zinsausgaben des Bundes. Diese steigen gegenüber dem Regierungsentwurf um 2 Mrd. Euro. Dank des Disagios auf die diversen Bundeswertpapiere wird der Haushalt nur mit 641 Mill. Euro zusätzlich belastet – aber es ist ein Betrag, der die Größenordnung der Subvention von Agrardiesel noch etwas übersteigt.
Die Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse soll es dem Bund erlauben, antizyklisch Fiskalpolitik zu betreiben. Mit ausgewiesenen 70 Mrd. Euro liegen die Investitionen deutlich über dem ursprünglichen Plan von 54 Mrd. Euro – ein Betrag, der 2023 tatsächlich realisiert wurde. Das scheint nur üppig und zeigt, wie dehnbar der Investitionsbegriff in der Haushaltsrechnung ist. Denn der Sprung bei den Investitionen wird auch durch die Aktienrente und das Kapital der Bahn ausgelöst.
Nebelwolken im Jahr 2025
Die schwere Geburt der Haushaltsplanung 2024 hat Folgen für 2025 – ein Wahljahr, in dem Regierungen ihren Wählern gern viel Gutes tun wollen. Die mittelfristige Finanzplanung von 2025 bis 2027, die regelmäßig mit dem Regierungsentwurf vorgelegt wird, ist nach dem Verfassungsgerichtsurteil obsolet. Wie die Ampel im kommenden Jahr und danach mit ihrem Etat umgeht, liegt weitgehend im Nebel. Die CDU/CSU geht davon aus, dass der Ampel 36 Mrd. Euro in der Planung 2025 fehlen. Die Rücklage von 48 Mrd. Euro, die in den Überschussjahren von 2014 bis 2019 aufgebaut wurde, wird 2024 praktisch aufgebraucht. Auf mittlere Sicht wird es zudem schwieriger, wenn von 2028 an die Tilgungsverpflichtung für die Notlagenkredite einsetzt. Rund 12 Mrd. Euro jährlich kommen dann auf den Bund zu.
Im März hat das Bundeskabinett im üblichen Turnus stets die Eckpunkte des Bundeshaushalts beschlossen. Der machte sich an Steuereinnahmen und sonstigen Einnahmen fest. Damit waren die Ausgaben gedeckelt. Die Ressorts konnten intern noch umschichten. Eckpunkte hat Lindner 2023 nicht durchsetzen können, weil sich die Ampel stritt. Der Regierungsentwurf im Sommer kam mit Verspätung. Dies könnte sich 2025 wiederholen. Ein Versprechen für Stabilität im Bundeshaushalt und die Rückkehr auf einen Pfad der Normalisierung sieht anders aus.