Das Monsanto-Erbe
Es scheint fast so, als hätten die Investoren von Bayer nur darauf gewartet, dass sich endlich ein Aktionärsaktivist aus der Deckung wagt, um dem Management Beine zu machen. Anders lässt sich nicht erklären, dass die Aktie den Dax in dem – zugegebenermaßen – noch jungen Jahr so deutlich outperformt. Satte 15,7 % Kurszuwachs standen zum gestrigen Handelsschluss zu Buche. Der Dax brachte zeitgleich 7,5 % zustande.
Gezündet hat die Kursrally die Nachricht vom Einstieg von Hedgefonds-Veteran Jeffrey Ubben. Dessen Fondsgesellschaft Inclusive Capital Partners hat sich nicht nur mit 0,8 % ins Bayer-Kapital eingekauft, sondern – und das ist der springende Punkt – ist damit öffentlich hausieren gegangen. Kaum war die Nachricht auf dem Draht, gab sich mit Bluebell ein weiterer Aktionärsaktivist als Bayer-Aktionär zu erkennen.
Es lässt sich nur mutmaßen, dass Gespräche der Fondsmanager mit dem Management, die es in solchen Fällen für gewöhnlich gibt, nicht das gewünschte Ergebnis brachten. Das gilt insbesondere für die Nachfolge an der Vorstandsspitze, die zwar nicht unmittelbar bevorsteht, für die jetzt jedoch die Weichen gestellt werden. Denn Werner Baumann, der im Mai 2016 an die Vorstandsspitze trat und mit der unheilvollen Monsanto-Übernahme sogleich den Unmut der Investoren auf sich zog, geht spätestens im April 2024. Zugleich soll sich Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann zum Ziel gesetzt haben, zur Hauptversammlung in diesem Jahr den Nachfolger zu präsentieren.
Ubben wünscht sich einen neuen Vorstandschef, der von außerhalb des Unternehmens kommt und mit unvoreingenommenem Blick auf das bei Investoren verpönte „Konglomerat“ schaut. Ein Begriff, der in der Bayer-Kommunikation auf der schwarzen Liste stehen dürfte.
Doch wie man es auch dreht und wendet, Bayer hat es nicht geschafft, die Investoren vom Sinn der drei Segmente – Agrarchemie, Pharmazie und Gesundheit – unter einem Konzerndach zu überzeugen. Im Gegenteil: Mit der Übernahme von Monsanto erschuf Bayer zwar den weltweit größten Agrarchemiekonzern, trotzdem liegt die Marktkapitalisierung des gesamten Konzerns, also inklusive Pharma und Consumer Health, aktuell nur bei 55 Mrd. Euro. Das ist weniger, als für Monsanto bezahlt wurde, und nur wenig mehr, als die kleinere, aber reinrassige Corteva auf die Börsenwaage bringt.
Natürlich hängt die krasse Unterbewertung von Bayer mit den noch immer nicht beseitigten Rechtsrisiken – das unschöne Monsanto-Erbe – zusammen. Doch hat Bayer inzwischen ausreichend bilanziell vorgesorgt. Am Aktienkurs ging das bislang jedoch weitgehend spurlos vorbei. Vom Kursabsturz, der sich Mitte 2018 mit Ausbruch der Glyphosat-Klagewelle Bahn brach, hat sich der Dax-Wert bis heute nicht erholt.
Das sorgt nicht nur für unzufriedene Aktionäre, sondern befördert auch Ideen, wie dem Aktienkurs – Stichwort: Aufspaltung – auf die Sprünge geholfen werden könnte. Natürlich setzt sich das Management gegen derartige Pläne zur Wehr, riskierten die Einzelteile doch, selbst zum Ziel feindlicher Übernahmen zu werden. Ironie der Geschichte: Mit der Übernahme von Monsanto wollte Bayer nach der Abspaltung der Chemie doch gerade auch ein Bollwerk gegen feindliche Übernahmevorstöße errichten.