Der EU-Blick in Richtung Osten
Viel Greifbares hat der Gipfel der EU-Spitzen mit den Staats- und Regierungschefs der Länder, die zur sogenannten Östlichen Partnerschaft gehören, in dieser Woche ja nicht gebracht. Zwar wurde in der Nacht auf Donnerstag dann noch 22 Seiten lange gemeinsame Statements verabschiedet und in Brüssel etwas pathetisch von einer „neuen, ehrgeizigeren Phase“ der mittlerweile seit 2009 bestehenden Partnerschaft gesprochen. Auch wurden die finanziellen Unterstützungen der EU von 2,3 Mrd. Euro bestätigt, die öffentliche und private Investitionen von immerhin bis zu 17 Mrd. Euro in der Region nach sich ziehen sollen. Aber von einer wie auch immer gearteten Beitrittsperspektive, wie sie etwa die Westbalkanländer von der EU erhalten haben, sind die Ukraine, Georgien, Aserbaidschan, Armenien, Moldau und – das Land gehört ja eigentlich auch noch dazu – Belarus noch immer meilenweit entfernt.
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Es war das erste physische Treffen der Spitzen von EU und ihrer Ost-Partner seit 2017. Teilnehmer berichteten im Anschluss von einer „besonders positiven Atmosphäre im Raum“, was auch an dem kleinen Friedensgipfel am Rande zwischen Armenien und Aserbaidschan liegen könnte. Beide Südkaukasusländer hatten sich ja erst im vergangenen Monat schwere Gefechte geliefert. In Brüssel saßen dann aber etwas überraschend der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew und der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan satte viereinhalb Stunden im Vorfeld des Gipfels zu einem Austausch zusammen. Ein EU-Offizieller wollte das Treffen im Anschluss auch als klaren Beweis für das Engagement der Europäischen Union für die Region verstanden wissen.
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Die Wahrheit ist aber natürlich auch: Die sechs ausgewählten Ostpartner der EU durchleben aktuell weit mehr schwere politische Krisen als nur die immer wieder einmal eskalierende Dauerfehde zwischen Baku und Eriwan um die Bergkarabach-Region. Vor allem die Situation im ostukrainischen Donbass und das dortige Säbelrasseln von Russland sorgt auch in Brüssel mittlerweile für Alarmstimmung. Hinzu kommen die Konflikte in und mit Belarus – die andauernden Menschenrechtsverletzungen durch das Lukaschenko-Regime im Inneren sowie das Instrumentalisieren von Migranten als Druckmittel gegen die EU. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte nach dem Gipfel, es habe einen leeren Stuhl im Raum gegeben. Und sie hoffe, dass dieser bald „von einem legitimen, demokratisch gewählten belarussischen Regierungschef“ besetzt werde. Es war übrigens nicht die EU, die Belarus aus ihrer Östlichen Partnerschaft hinausgeworfen hat – sondern es war im Juni Präsident Alexander Lukaschenko, der die Verbindungen abgebrochen hat und damit auch die Aussicht auf 3 Mrd. Euro Hilfen, die in Brüssel schon vorbereitet wurden.
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Es ist nicht so, dass die bisherigen Partnerschaftsjahre der EU mit den etwa 75 Millionen Menschen umfassende Region nichts bewirkt hätten. Das Handelsvolumen mit den sechs Ländern ist von 2010 bis 2020 um immerhin 22% auf 65 Mrd. Euro geklettert. Mit der Ukraine, Georgien und Moldau sind Freihandelsabkommen in Kraft getreten. Es geht der EU aber immer noch vor allem darum, die Partnerländer in ihrem wirtschaftlichen Aufholprozess zu unterstützen. Das durchschnittliche Bruttoinlandprodukt pro Kopf liegt hier nämlich immer noch bei lediglich 3700 Euro im Jahr. In der EU sind es 27300 Euro. In Vorbereitung sind daher von der EU unterstützte strategische Investitionsprojekte, die etwa die Energieeffizienz von Gebäuden in der Republik Moldau verbessern, das Hochgeschwindigkeitsinternet im ländlichen Georgien ausbauen oder Glasfaserkabel unter dem Schwarzen Meer verlegen sollen. Moldau erhält jetzt erst einmal ein Soforthilfepaket von 60 Mill. Euro, dass helfen soll, die Auswirkungen der hohen Gaspreise abzufedern. Und natürlich will die EU die Region auch bei der Impfstoffbeschaffung unterstützen. Dies hilft aktuell vielleicht auch viel mehr als vage Beitrittsversprechen.