Halbleitermangel

Der globale Chip-Wettstreit

Der Wettstreit zwischen dem Westen und Ostasien um die Vorherrschaft bei Halbleitern hat sich verschärft. China hat bisher keinen Durchbruch geschafft. Das hat mehrere Gründe.

Der globale Chip-Wettstreit

Eines ist gewiss: Wladimir Putin hatte einen Konflikt schon längst verloren, bevor der russische Diktator vor über drei Wochen seinem Militär den Befehl zum Angriffskrieg gegen die Ukraine erteilte. Es geht um die globale Vormachtstellung im Hochtechnologiesektor Halbleiter. Bei diesem zentralen Baustein der Wirtschaft ist das flächenmäßig größte Land der Erde hoffnungslos im Rückstand. Die russische Atommacht, zugleich ein ökonomischer Zwerg, ist in diesem Wettstreit in die Rolle eines Zuschauers gedrängt. Denn der Kreml vermochte es nicht, vorausschauend die Kräfte des Landes in der Chip-Ingenieurskunst zu mobilisieren.

Das Ringen um die Führungsrolle in dieser Schlüsseltechnologie wird im Kern zwischen dem Westen und Ostasien ausgetragen. Als Gegner kristallisieren sich dabei immer deutlicher die USA und die EU auf der einen Seite und China auf der anderen Seite heraus. In Washington und in Brüssel wächst die Furcht, dass Peking eines Tages die Oberhand in diesem Bereich gewinnen könnte. US-Präsident Joe Biden gibt unumwunden zu, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aus seiner Sicht eine „extreme Konkurrenz“ darstellt. Denn eine strategische Überlegenheit eines Staates und eines Wirtschafts- und Wertebündnisses auf sämtlichen Ebenen setzt eine technologische Führerschaft voraus.

Wie verwundbar der Westen in der Versorgung mit elektronischen Bauelementen geworden ist, verdeutlichen die globalen Beschaffungsengpässe und die angespannten Lieferketten infolge der Corona-Pandemie. Teilweise standen Produktionsbänder wegen fehlender Mi­krochips in der Autoindustrie still. Die Politik wertet das als Alarmzeichen. Die Folge ist ein weltweiter Subventionswettlauf. Die Biden-Administration und die EU betrachten die seit Jahren bestehenden massiven staatlichen Förderprogramme in China, in Südkorea und in Taiwan als Kampfansage.

Mit Gegenmaßnahmen wollen sie den aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften Paroli bieten. Die jüngst von Washington und Brüssel neu aufgelegten Milliardenprogramme zur Förderung der heimischen Chipindustrie laufen in diese Richtung. Dabei geht die EU geschickter vor als China. Denn die Gemeinschaft fördert mit öffentlichen Mitteln vor allem Industriecluster. Sie setzt also Mittel viel gezielter ein als die autokratische kommunistische Regierung in der Volksrepublik, die die Gelder nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Letzteres führt zur Fehlallokation von Ressourcen.

Deutschland kann als jüngsten Erfolg in dieser Gemengelage verbuchen, dass sich der US-Konzern Intel für Magdeburg als Standort für ein neues Werk entschieden hat. Großabnehmer wie Volkswagen (Niedersachsen) und Tesla (Brandenburg) sind in der Nähe. Für den Standortwettbewerb ist es von Vorteil, wenn eine gute Infrastruktur bereits vorhanden ist. Die Wahl des Branchenprimus zugunsten von Sachsen-Anhalt kann dazu beitragen, dass die EU ihr Ziel verwirklicht, den Anteil von Europa an der weltweiten Chipproduktion schrittweise auf 20% zu erhöhen.

Ohnehin steht Westeuropa nicht so schlecht da, wie es die Politik in der Öffentlichkeit suggeriert. Zwar ist der Anteil des Alten Kontinents an der weltweiten Chipfertigung kontinuierlich auf unter 10% gesunken, doch die Qualität der Produkte hat sich deutlich verbessert. Die europäische Chipbranche baut auf das lukrative Geschäft mit Leistungshalbleitern. Ohne diesen strategischen Schwenk wären vermutlich Anbieter wie STMicroelectronics und Infineon vom Markt längst verschwunden. Produktionsverlagerungen nach Ost- und Südostasien fanden vor allem im Geschäft mit der Massenware Speicherchips statt. Bei Letzteren war Europa sowieso nicht mehr wettbewerbsfähig, da Asien diese Bauteile viel günstiger fertigen kann. Der Dax-Konzern aus Bayern und sein italienisch-französischer Wettbewerber hatten es ge­schafft, sich mitten in der Finanzmarktkrise aus eigener Kraft aus einer selbstverschuldeten Malaise wieder herauszuarbeiten. Mittlerweile sind beide Unternehmen in der Lage, es mit der einst überlegenen Konkurrenz aus den USA locker aufzunehmen.

Derweil fehlt China weiterhin das Know-how und das Personal, trotz hoher Subventionen einen Chipkonzern von globaler Bedeutung aufzubauen. Die vor 22 Jahren an den Start gegangene SMIC-Gruppe schaffte es bislang nicht, unter die 20 weltweit größten Halbleiterhersteller aufzurücken. Hier dominieren die USA, gefolgt von Südkorea, Taiwan, Westeuropa und Japan. Daran wird sich bis auf Weiteres wenig ändern.(Börsen-Zeitung, 19.3.2022)

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.