Die Deutsche Bank ist nicht aus dem Schneider
Mancher Anteilseigner der Deutschen Bank mag sich in der vergangenen Woche gefühlt haben wie in einer Zeitmaschine. Hatte der Markt gerade begonnen, zartes Vertrauen zu fassen in die Restrukturierung und vor allem Refokussierung des Instituts, wurde er am Donnerstag schon vor Handelsbeginn böse überrascht von einer Meldung über neue Rechtsrisiken in den USA. Glaubt man dem „Wall Street Journal“, gibt es Mitarbeiter des US-Justizministeriums, die verschnupft darüber sind, dass sie aus ebendieser Zeitung über die Greenwashing-Vorwürfe gegen die Fondstochter DWS erfahren haben. Sollte sich die Verstimmung Einzelner zur Hausmeinung verfestigen, steht dem US-Justizministerium nach Darstellung des Blattes ein ganzer Koffer an Sanktionsinstrumenten gegen die Deutsche Bank zur Verfügung, deren Einsatz durch die Bank weg unerfreulich für die Aktionäre wäre.
Wer sich nun die Frage stellt, warum die Deutsche Bank um alles in der Welt unerquickliche Interna, noch dazu die ihrer Tochtergesellschaft, mit dem US-Ministerium teilen sollte, hat die Rechnung ohne das US-Firmenstrafrecht gemacht. Und, das wurde leider auch wieder deutlich: ohne die noch immer ziemlich opake Kommunikation der Deutschen Bank mit Blick auf ihre Rechtsrisiken. Obwohl oder gerade weil die aus hiesiger Perspektive schwer verständliche Enthüllung des US-Blatts schwer auf dem Aktienkurs lastete, zeigte die Deutsche Bank wenig Willen, Licht ins Dunkel zu bringen. Kein Kommentar, lautete die lapidare Antwort des Instituts. Eine gewagte Kommunikationsstrategie für ein Unternehmen, das seit der Ära Josef Ackermann irgendwie immer ein bisschen am Abgrund zu balancieren scheint – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.
Erst eine Recherche auf der Website des US-Justizministeriums schaffte Klarheit. Offenbar hat sich die Deutsche Bank Anfang des Jahres in einer Art Deal darauf verständigt, jedwedes Fehlverhalten oder auch nur diesbezügliche interne oder externe Untersuchungen dem Ministerium stante pede zu melden. Im Gegenzug wurden die strafrechtlichen Ermittlungen zurückgestellt, die US-Staatsanwälte gegen die Deutsche Bank wegen dubioser Zahlungen in Saudi-Arabien und mutmaßlicher Absprachen im Rohstoffhandel führten. Eine solche Vereinbarung lässt sich nicht ohne Weiteres auf hiesige Verhältnisse übertragen, da es in Deutschland kein Strafrecht für Unternehmen gibt und ihnen dementsprechend auch keine vergleichbaren „Bewährungsauflagen“ gemacht werden können. Am ehesten wäre dieser Fall vielleicht vergleichbar mit einem – nicht gemeldeten – Fehlverhalten in einem Geschäftsbereich, in den die Finanzaufsichtsbehörde bereits einen Sonderbeauftragten entsandt hat. Je nach politischer Großwetterlage könnte auch dann die Reaktion ziemlich unangenehm ausfallen, weil es nicht zuletzt auch um einen Gesichtsverlust der kontrollierenden Seite geht.
Bemerkenswert ist, dass die Vorwürfe, die Gegenstand der Vereinbarung mit den US-Behörden ist, bis ins Jahr 2008 zurückdatieren. Die Hoffnung, dass die Deutsche Bank mit der von Vorstandschef Christian Sewing vorangetriebenen Restrukturierung auch das leidige Kapitel der schwer überblickbaren Rechtsrisiken weitgehend abgeschlossen hat, bewahrheitet sich also nicht. Auch in Deutschland, wo die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-ex-Komplexes gerade erst an Fahrt gewinnt, könnte dem Institut noch eine schmerzhafte Aufarbeitung der Vergangenheit bevorstehen. Zwar betont man dort gerne, dass man auf Geheiß der hauseigenen Steuerabteilung die Finger von diesen Geschäften zulasten der Steuerkasse ließ. Als Depotbank aber war das Haus trotzdem an Cum-ex-Geschäften beteiligt, freilich im Auftrag anderer. Auch wenn im Rahmen der ersten Strafprozesse die Rolle der Depotbanken ausgeklammert wurde, heißt dies nicht, dass die Deutsche Bank aus dem Schneider wäre.
Böse Überraschungen wie in der vergangenen Woche werden Aktionäre der Deutschen Bank immer wieder erleben. Wie jeder Marktführer muss das Institut in besondere Maße damit rechnen, dass es zur Zielscheibe klagewütiger Kunden, Mitarbeiter oder Wettbewerber wird. Als global tätiges Haus mag die Bank in manchen Märkten besonders kritisch beobachtet werden und sich den Unbill von Behörden zuziehen. Um dauerhaft das Vertrauen ihrer Aktionäre und sonstiger Stakeholder zu sichern, täte sie jedenfalls gut daran, in Rechtsfragen mehr Transparenz zu zeigen, Risiken zu benennen und schwer nachvollziehbare Wendungen von ihrer Warte aus zu erklären.