KommentarNeue Regierung

Die drei großen Schwachstellen des Koalitionsvertrags

Union und SPD sollten mutigere strukturelle Reformen angehen – sowohl in Deutschland als auch der EU.

Die drei großen Schwachstellen des Koalitionsvertrags

Koalitionsvertrag

Die drei großen Schwachstellen

Von Andreas Heitker

Union und SPD sollten mutigere strukturelle Reformen angehen –
in Deutschland,
aber auch in der EU.

Der Koalitionsvertrag der künftigen Regierung ist längst nicht aus einem Guss. Trotz aller Kritik wollten CDU, CSU und SPD nicht auf ihre Wahlgeschenke für Mütter, Landwirte und Gastronomen verzichten. Trotzdem sind die Pläne längst nicht so mutlos, wie es im Vorfeld der Einigung zu befürchten war. Gleich im ersten Absatz der Vereinbarungen steht ein wichtiges und ambitioniertes Ziel: Das Potenzialwachstum in Deutschland soll wieder auf deutlich über 1% steigen. Auch der starke Fokus auf eine Digitalisierungsoffensive in Verbindung mit einer Staatsmodernisierung macht Hoffnung. Die Start-up-Förderung geht in die richtige Richtung, die marktwirtschaftlichen Neujustierungen der Energiewende ebenso. Die Entlastungen, so hat es jetzt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ausgerechnet, summieren sich bei konsequenter Umsetzung des Koalitionsvertrags auf 50 Mrd. Euro pro Jahr. Immerhin.

Sozialversicherungen sind nicht zukunftsfest

Doch reicht das angesichts der strukturellen Probleme in der heimischen Wirtschaft und angesichts der geopolitischen Umwälzungen, die wir aktuell erleben? Führende Ökonomen haben bereits starke Zweifel geäußert, dass die Maßnahmen, die Schwarz und Rot auf mehr als 140 Seiten niedergeschrieben haben, auch tatsächlich das versprochene zusätzliche Potenzialwachstum bringen werden.

Die große Schwachstelle des Koalitionsvertrags ist, dass sich Union und SPD nicht getraut haben, mutige Reformen in den Sozialversicherungen anzugehen. Dabei ist jedem klar, dass es dringender Antworten bedarf, um Rente, Pflege und Krankenversicherung auf einen langfristig tragfähigen neuen Sockel zu stellen. Ein Festzurren des Rentenniveaus auf 48% hilft da nicht unbedingt weiter.

Ungelöste Finanzierungsfragen bergen Streitpotenzial

Auch an anderer Stelle kommen ungelöste Finanzierungsfragen ins Spiel: Denn die Gegenfinanzierung für die versprochenen Entlastungen bei einer gleichzeitigen Haushaltskonsolidierung ist alles andere als überzeugend und könnte unter den künftigen Koalitionären noch zu einem nicht zu unterschätzenden Streitauslöser werden. Die Ampel a.D. lässt schön grüßen. Dass die SPD bereits am Donnerstag bei der vereinbarten Mütterrente auf einen Finanzierungsvorbehalt verwiesen hat, mag da nur ein erster Vorbote sein.

Und drittens: Es fehlt ein Programm, um die EU kraftvoll weiterzuentwickeln. Das ambitionslose Europakapitel ganz am Ende des Koalitionsvertrags wird den beängstigenden globalen Krisen nicht gerecht.


Mehr zu den Plänen der Koalition finden Sie auf unserer Schwerpunktseite.


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