Die EU weckt zu hohe Erwartungen
Verteidigungspolitik
EU weckt zu hohe Erwartungen
Von Andreas Heitker
Nach dem Ukraine-Gipfel in London steht die europäische Verteidigungsfähigkeit bereits am Donnerstag in Brüssel wieder ganz oben auf der politischen Agenda. Und im Vorfeld des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs sind schon hohe Erwartungen an eine EU-Verteidigungsunion laut geworden. Zudem gibt es Forderungen nach einer europäischen Armee und natürlich nach viel Geld für die Aufrüstung. Doch niemand sollte sich Illusionen hingeben: Der Sondergipfel wird nicht und kann auch nicht die Weichenstellungen in Europas Verteidigungspolitik bringen, die spätestens nach dem jüngsten Eklat im Oval Office nötig wären. Die EU ist hierfür einfach nicht der richtige Adressat.
Im ersten Corona-Jahr haben es die EU-Staaten das bislang erste und einzige Mal geschafft, sich in einem großen Kraftakt auf einen milliardenschweren schuldenfinanzierten Geldtopf zu einigen, mit dem sie gemeinsam eine globale Krise bekämpfen wollten. 750 Mrd. Euro wurden so mobilisiert. Knapp fünf Jahre fällt das Fazit des Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ eher ernüchternd aus: Die Mittel flossen zum Teil zu spät und schafften es nicht, die EU-Wettbewerbsfähigkeit entscheidend zu stärken. Dasselbe würde mit einer Neuauflage zugunsten der europäischen Verteidigungsfähigkeit passieren.
Koordinierung und Beschaffung sind Aufgaben für die Nato
Die EU kann die regulatorischen Rahmenbedingungen lockern, um Investitionen in den Sektor zu erleichtern. Zum Beispiel sollten die gerade erst neu installierten Fiskalregeln noch einmal auf den Prüfstand, um Ausnahmen für Verteidigungsausgaben einzubauen. Auch ESG-Vorgaben (Stichwort Taxonomie) haben die Verteidigungsindustrie bislang ausgebremst. Die EU darf sich aber nicht verzetteln: Eine Koordinierung der Aufrüstung und eine gemeinsame Beschaffung sollten bei der Nato angesiedelt bleiben – wo auch relevante Mitspieler wie Großbritannien beteiligt sind und wo auch die transatlantische Partnerschaft noch eine – wenn auch kleine – Zukunftschance hat.
Um den europäischen Pfeiler der Nato rasch und deutlich zu stärken, sind neben den Atommächten Großbritannien und Frankreich zunächst auch große und strategisch wichtige Länder wie Polen, Italien und Deutschland mit einer gemeinsamen Strategie gefragt. Eine Einigung von Union und SPD auf ein wuchtiges Sondervermögen für die Bundeswehr, das auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, wäre hierfür ein entscheidender Baustein.
Die EU wird nicht die Weichen in Europas Verteidigungspolitik stellen können, die nach dem Eklat im Oval Office eigentlich nötig wären.